Geschichte des Elektroakustischen Studios – und wie das Subharchord in die Akademie kam
Akademie der Künste (Ost)
Am 4. Juli 1986 wurde das Studio für Elektroakustische Musik der Akademie der Künste der DDR in der Hermann-Matern-Straße (heute Luisenstraße) offiziell eröffnet. Zuvor waren bereits Georg Katzer (ab 1978 Mitglied der Akademie, Ost) und andere aktiv geworden, ein Studio zu realisieren. Überlegungen, die für die Notwendigkeit eines solchen Studios sprachen, reichen bis in die 1960er-Jahre zurück.
So setzte sich z. B. Paul Dessau (ab 1952 Mitglied und ab 1957 Vizepräsident der Akademie, Ost) für das 1956 gegründete Labor für akustisch-musikalische Grenzprobleme in Berlin-Adlershof ein. Dieses von Gerhard Steinke geleitete Entwicklungslabor im Betriebslaboratorium für Rundfunk und Fernsehen der Deutschen Post (später Rundfunk- und Fernsehtechnisches Zentralamt, RFZ) war der erste Ort für experimentelle Klangforschung in der DDR. Mit dem Labor hegte insbesondere die Sektion Musik der Akademie der Künste regen Kontakt. In den Jahren 1966 und 1967 fanden in der Akademie die in Zusammenarbeit veranstalteten Symposien „Elektronische Klangkunst“ statt. Diese Verbindung zu Mitwirkenden des RFZ-Labors bestand auch bis nach dessen Ende im Jahr 1970 weiter.
Die verantwortlichen ideologischen Vorbehalte gegen elektronische Musik im Sinne eines vermeintlich kosmopolitischen Formalismus wurden erst in den 1980er-Jahren wieder aufgeweicht. Georg Katzers Initiative verwirklichte sich in der 1980 begonnen Konzert-Reihe „Kontakte“, sowie in monatlichen Schulungsseminaren zu Geschichte, Ästhetik und Technologie elektroakustischer Musik und der Konzeption der geplanten Einrichtung eines Studios.
Ein Beitrag von Georg Katzer
Die Ostberliner Akademie der Künste bot jungen diplomierten Komponisten in Fortführung alter preußischer Tradition die Möglichkeit der Weiterbildung bei selbst gewählten Mentoren, Mitgliedern der Sektion Musik. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um eine Weiterführung der klassischen Hochschulausbildung.
Gleichwohl gab es in den 60er Jahren in der DDR keine Möglichkeit der Beschäftigung mit synthetischer Klangerzeugung. Als ich im Jahre 1978 in die Akademie der Künste Berlin (Ost) gewählt wurde, nahm ich deshalb die von Paul Dessau bereits begonnene Diskussion um die Einrichtung eines elektronischen Studios auf, ohne allerdings auf Zustimmung innerhalb der Akademie zu stoßen.
Politisch war die elektroakustische Musik Formalismus-Vorwürfen ausgesetzt und verdächtig, Einfallstor einer „Westkultur“ zu sein („Wenn Köln das macht, dann machen WIR das nicht.“). Ein von Gerhard Steinke 1956 gegründetes Studio im Rundfunktechnischen-Zentrallabor in Berlin-Adlershof war bereits wenige Jahre später geschlossen worden, insgesamt also keine günstigen Voraussetzungen für eine Studiogründung.
Es gelang immerhin ein kleines Budget zu bekommen, um die Konzertreihe „Kontakte“ gründen zu können, deren erstes Konzert 1980 stattfand. Von da an veranstaltete das Studio jährlich Gastkonzerte europäischer Studios, ebenso Seminare für junge Komponisten und Musikwissenschaftler. Beim Konzertsaal in der Luisenstraße, dem damaligen Standort der Ost-Akademie, befand sich auch ein kleines Ton-Studio mit zwei Bandmaschinen. Als es gelang noch eine dritte zu beschaffen, machte sich mein Meisterschüler Ralf Hoyer daran, ein erstes Stück für Kontrabass und Zuspielband zu realisieren. Demnach kann das Jahr 1980 als das eigentliche Gründungsjahr gelten.
In den Folgejahren wurden über second hand, besonders aus Rundfunkstudios, weitere Geräte gekauft. Und, unter Verletzung des strengen Devisengesetztes der DDR, auch ein DX7 aus Westberlin herangeschafft. Außerdem gelang es, den Prototyp des Subharchords, ein im Rundfunktechnischen Zentrallabor entwickeltes Gerät zur Klangsynthese und Klangbearbeitung, zu erwerben.
Von da an wurden kontinuierlich Produktionen durchgeführt, besonders da auch ein Budget für Kompositionsaufträge erstritten worden war. Die ständigen Interventionen bei der Akademieleitung, die Erfolge der Konzertreihe „Kontakte“ und das Interesse der jungen Komponisten (die kulturpolitische Situation hatte sich auch hin zu einem Laissez-faire verändert) führten 1986 zur offiziellen Gründung des Studios mit guter personeller Ausstattung: ein Toningenieur, ein Programmierer, ein Musikwissenschaftler und ein Tontechniker fanden Anstellung.
Georg Katzer, 2014
Akademie der Künste (West)
Bereits 1960 begleitete das Studio für elektronische Musik des Westdeutschen Rundfunks Köln die Eröffnungsfeierlichkeiten des Akademie-Neubaus am Hanseatenweg, wo auch in den folgenden Jahren verschiedene Veranstaltungen elektronischer Musik stattfanden.
Boris Blacher (ab 1955 Mitglied und ab 1968 Präsident der Akademie, West) war Mitbegründer des „Arbeitskreises für elektronische Musik“ an der Technischen Universität Berlin und förderte die Zusammenarbeit mit dem dort ansässigen elektronischen Studio. In solcher Kooperation veranstaltete die Sektion Musik im Herbst 1964 die „Woche der experimentellen Musik / Kongress für elektronische Musik“, an der unter anderen Studios aus New York, Mailand und Tokio teilnahmen. Die darauffolgende „Internationale Woche für experimentelle Musik“ wurde 1968 als gemeinsame Kongressveranstaltung in den Räumen der Technischen Universität durchgeführt.
Zu Beginn der 1980er-Jahre wurde erneut mit dem elektronischen Studio der TU Berlin und in Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) die einflussreiche Veranstaltungsreihe „Inventionen“ ins Leben gerufen. Haupt-Veranstaltungsort der „Inventionen“-Ausgabe 1990 war das Akademie-Gebäude am Hanseatenweg, wo am 22. Januar 1990 auch das Studio für elektroakustische Musik der Akademie der Künste der DDR Werke von Lutz Glandien, Klaus Martin Kopitz, Helmut Zapf, Hermann Keller und Georg Katzer aufführte.
Das Subharchord
Aufgrund der Entwicklung experimenteller Studios im Ausland, insbesondere dem 1951 vom Nordwestdeutschen Rundfunk gegründeten elektronischen Studio in Köln, kam auch in der DDR das Interesse für Versuche elektronischer Klangerzeugung auf. Ab 1956 wurde in Berlin-Adlershof im Betriebslaboratorium für Rundfunk und Fernsehen der Deutschen Post das Labor für akustisch-musikalische Grenzprobleme eingerichtet.
Das von Dipl.-Ing. Gerhard Steinke geleitete Experimentallabor hatte die Aufgabe, neue Formen der Klangerzeugung zu entwickeln. Zum einen für die Verwendung in Rundfunk- und Fernsehproduktionen für Hörspiele, Trick- oder Spielfilme, aber auch zur Schaffung neuer musikalischer Werke abseits der Unterhaltungsindustrie.

Erste öffentliche Präsentation 1965
Zu diesem Zweck wurde u. a. durch Paul Dessau die Entwicklung eines elektronischen Instruments in der Art des von Friedrich Trautwein und Oskar Sala bereits in den 1930er-Jahren entwickelten Trautoniums angeregt. 1959/60 entstand das erste Versuchsmodell eines Mixturinstruments zur Erzeugung subharmonischer Klänge.
Zur besseren Bedienbarkeit wurde das weiterentwickelte Instrument 1962 in einen Orgelspieltisch eingebaut. Hinsichtlich einer geplanten Serienproduktion schufen die Ingenieure Ernst Schreiber, Paul Arnold und Alfred Pelz gemeinsam mit Gunter Wächtler anschließend den formgestalteten Prototypen des Subharchords. Im März 1965 wurde der Geräusch- und Klangerzeuger auf der Leipziger Messe der Öffentlichkeit präsentiert.

Überführung in die Akademie der Künste
Georg Katzer, der weiter mit Gerhard Steinke in Kontakt stand, realisierte Anfang der 1980er-Jahre die Überführung des Prototypen (zu der Zeit im Postmuseum) in die Akademie der Künste. Seitdem wird das Instrument für Klangexperimente und aktuelle Produktionen im Studio genutzt. Im Jahr 2005 wurde das restaurierte Subharchord als Teil der Ausstellung „Künstler.Archiv“ im Akademie-Gebäude am Pariser Platz gezeigt.
Die restlichen erhaltenen Exemplare des Subharchords befinden sich heute u. a. im Ringve Museum im norwegischen Trondheim, in den Sammlungen des Technischen Museums Wien und des Deutschen Technikmuseums Berlin.