Jochen Gerz übergibt sein Archiv der Akademie der Künste
Im Zentrum von Jochen Gerz‘ künstlerischem Schaffen stehen die Begriffspaare Erinnerung und Geschichte in Politik, Gesellschaft und Kultur. Seinen künstlerischen Werdegang sieht der Künstler an der Schnittstelle zwischen Literatur, Poesie, Performances, den visuellen Künsten und partizipativen Projekten im öffentlichen Raum verortet. Mit seinen Arbeiten sucht er bis heute das Verhältnis zwischen Kunst und Rezipienten im Sinne der Selbstermächtigung und Selbstverwirklichung radikal zu verändern. Seine öffentlichen ikonischen Denkmale zur Erinnerung („counter-monuments“) wie das Mahnmal gegen Faschismus (in Hamburg-Harburg, 1986), das 2146 Steine – Mahnmal gegen Rassismus (in Saarbrücken, 1993) oder der Platz des europäischen Versprechens (in Bochum, 2015) sind die in Deutschland bekanntesten Stationen seiner künstlerischen Laufbahn. Zahlreiche weitere Projekte realisierte Gerz im öffentlichen Raum u. a. in Frankreich, Italien und Großbritannien. Konsequent führte dieser Weg zur Gründung der „Jochen Gerz Stiftung Öffentliche Autorschaft“ (2023) und nun schließlich zur Archivübergabe an die Akademie der Künste, deren Mitglied er seit 1994 ist.
Jochen Gerz hat auch sein schwarzes analoges Telefon übergeben, welches Teil seiner Installation/Arbeit Speaking of Her (1970/1993/2025) ist, die gegenwärtig in der Ausstellung „Out of the Box. 75 Jahre Archiv der Akademie der Künste“ gezeigt wird. Anleitungen zur Realisierung solcher „Reenactments“ finden sich
u. a. in den schriftlichen Aufzeichnungen früher Texte und Bildmaterialien, die für die akribische Rekonstruktion einer Wiederaufführung eines Kunstwerkes notwendig sind. Ergänzt werden diese Unterlagen durch Briefe, Tage- und Notizbücher, Dokumentationen zu verschiedenen realisierten und auch nicht realisierten Kunstprojekten. Poster, Bücher, Kataloge und Zeitungsausschnitte runden diesen noch unbearbeiteten Bestand ab.
Jochen Gerz, 1940 in Berlin geboren, lebte von 1966 bis 2007 in Paris und ist heute in Irland ansässig; 1959–1963 Studium der Literatur, Sinologie und Urgeschichte in Köln, London und Basel; 1968 mit Jean-François Bory Begründer des alternativen Autorenverlags „Agentzia“ (v. a. Künstler und Autoren von „Visual Poetry“); seit Ende der 1960er-Jahre Arbeit mit den neuen Medien (Videokunst), nach ersten partizipatorischen Interventionen im öffentlichen Raum entstanden Foto/Texte, Installationen, Performances und Videos; Institutionskritik und Kritik am Kunstbegriff; 1976 zusammen mit Joseph Beuys und Reiner Ruthenbeck im deutschen Pavillon der 37. Biennale in Venedig; 1977 und 1987 Teilnahmen an der documenta (d6, d8); Einzelausstellungen und Retrospektiven in europäischen und nordamerikanischen Museen; 1982 Rückkehr in den öffentlichen Raum; Autorenprojekte seit der Jahrtausendwende als Transformation von Kunst und Gesellschaft.
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