Anna-Seghers-Museum
Zwei Plaetze gibt es in dieser mir gleichgueltig[en] Wohnung, die mich freuen, ein Eck im Fenster meines kleinen Schlafzimmers – Ruth sagt Kajuete –, ein Fenstereck, aus dem man weit raus sehn kann und sich einbilden, dahinter läge das Meer und die Schiffe oder sonst was. Und gut ist auch auf dem kleinwinzigen Balkon zu liegen, und ich guck mir abends die Voegel an, und frage mich warum sie herumfliegen und ich denke auch, dass so einen Flug die Menschen noch nicht erfunden haben. ... Und vor allem: ich kann sehr viel und hoffentlich zum Teil gut schreiben.
Wer unter ihrem Balkon entlangging, konnte bei gutem Wetter oft das Klappern ihrer Schreibmaschine hören. Dieser häufig windige Ort, umgeben von den Baumkronen der Linden, erinnerte Anna Seghers an das Schreiben an Bord auf ihren Atlantiküberfahrten. Auf der Rückfahrt von ihrer zweiten Brasilienreise 1963 hatte sie die Erzählung Überfahrt. Eine Liebesgeschichte begonnen, die sie dann 1970/71 in Adlershof beendete. Den Balkon vor ihrer Wohnung nannte sie in einem Brief an ihren Freund Wladimir Steshenski 1956 ihren „Mastkorb“.
Die Wohn- und Arbeitsräume der Schriftstellerin wurden nach ihrem Tod zum Museum, das heute von der Akademie der Künste betreut wird. Neben den im Originalzustand erhaltenen Möbeln und Reisemitbringseln aus aller Welt, der Sammlung von Steinen und Meeresschnecken, den Keramiken und Musikinstrumenten aus Mexiko, beeindruckt vor allem Anna Seghers‘ Bibliothek: Rund 10.000 Bände, darunter Bücher mit Widmungen von Schriftstellerfreundinnen und -freunden aus vielen Ländern, verteilen sich über die vier Zimmer und den Flur. Fotografien und Dokumente aus dem Leben von Anna Seghers und ihrer Familie werden in einer Vitrinenausstellung dauerhaft präsentiert. Ausgestellt sind auch die Erstausgaben ihrer Bücher, wie Das siebte Kreuz, das 1942 in den USA auf Englisch erschien und zu einem Welterfolg wurde, oder Ausgaben aus dem Exilverlag Querido in Amsterdam sowie ihre Dissertation von 1924 an der Universität Heidelberg.