Provenienzforschung

Was bedeutet Provenienzforschung?
Im Dezember 1998 wurde auf einer Konferenz in Washington eine wegweisende Erklärung mit elf Richtlinien unterzeichnet. Zusammen mit der 1999 verfassten „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und Rückgabe von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, insbesondere aus jüdischem Besitz“ bilden die „Washingtoner Prinzipien“ die Grundlage für die Provenienzforschung im Archiv der Akademie der Künste. Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf der Suche und Identifizierung von NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kunstwerken und Kulturgütern in den Beständen der Kunstsammlung, der Bibliothek und der Archivabteilungen, um anschließend gerechte und faire Lösungen im Sinne der Washingtoner Erklärung mit den rechtmäßigen Erbinnen und Erben oder Rechtsnachfolgern zu finden, wie im Falle eines Skizzenbuches von Max Liebermann. Des Weiteren werden Provenienzrecherchen vor dem Hintergrund von Kulturgutentziehungen in der Sowjetischen Besatzungszone und der Deutschen Demokratischen Republik vorgenommen sowie Informationen zu kriegsbedingt verlagerten Objekten („Kriegsverluste“) zusammengetragen.
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Ein Etikett auf der Rückseite eines Gemäldes, ein Stempel in einem Buch, eine Interieuraufnahme, ein Eintrag im Inventarbuch – Hinweise auf die Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern sind auf vielfältige Weise überliefert. Jedes Detail kann relevant sein, jede Notiz an Bedeutung gewinnen, jeder Archivbesuch eine neue Spur liefern. Spannende Entdeckungen erhellen nicht nur die Geschichte hinter einem Objekt, ermittelte Provenienzen können auch Unrecht anzeigen. Mit jeder dokumentierten und erzählten Herkunftsgeschichte bleibt zugleich die Erinnerung an Menschen erhalten, die ein Kunstwerk besessen oder gehandelt haben oder gezwungen waren, es abzugeben.
Provenienzforschung widmet sich der Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern und bildet eine Grundsatzaufgabe von öffentlichen Einrichtungen. Die Rekonstruktion der Besitzer- und Besitzerinnenwechsel dieser Objekte steht im Mittelpunkt der Untersuchungen.
Die Suche nach Spuren – Projekte und Recherchemöglichkeiten
Die erste umfassende systematische Prüfung der Bestände im Hinblick auf NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut erfolgte von Oktober 2017 bis Januar 2021 mit Unterstützung des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste in einem Forschungsprojekt. Untersucht wurden die Provenienzen von 393 Werken aus der Gemälde- und Skulpturensammlung, die nach 1933 in den Besitz der Akademie gelangten und vor 1945 geschaffen worden sind. Sieben als „bedenklich“ eingestufte Werke wurden in die Lost Art-Datenbank aufgenommen.
Um Rechercheinstrumente unter anderem für die Provenienzforschung bereitstellen zu können, führt das Archiv der Akademie der Künste fortlaufend Digitalisierungsprojekte durch. So wurde 2014 die Inventarkartei der Kunstsammlung retrokonvertiert. Seit Ende 2016 stehen darüber hinaus die Archivalien der Preußischen Akademie der Künste digital zur Verfügung. Die historischen Ausstellungskataloge der Akademie wurden im Jahr 2019 digitalisiert und online gestellt. Provenienzforschungsergebnisse werden sukzessiv über die Archivdatenbank und im digitalen Schaufenster veröffentlicht.







Die Geschichte(n) hinter den Werken – Vermittlung und Veröffentlichungen
Das Archiv der Akademie der Künste beteiligt sich am jährlichen Internationalen Tag der Provenienzforschung und bietet Einblicke in seine Bestände oder richtet zusammen mit weiteren Berliner Institutionen Provenienzspaziergänge aus. Darüber hinaus unterstützen wir Weiterbildungen und die universitäre Ausbildung im Bereich Provenienzforschung.
Die Ausstellung Spurensicherung. Die Geschichte(n) hinter den Werken stellte vom 29. Oktober 2022 bis zum 22. Januar 2023 anhand von ausgewählten Objekten drei unterschiedliche Bereiche der Herkunfts- und Besitzgeschichte von Kunstwerken und Kulturgütern vor: Die Identifizierung von NS-Raubkunst in den eigenen Beständen und die Rolle der Akademie der Künste in der Zeit des Nationalsozialismus; die Suche nach den im Zweiten Weltkrieg verlorenen Sammlungen der Preußischen Akademie der Künste und schließlich die Auseinandersetzung mit den Bemühungen des DDR-Staatsapparates, in den Besitz verwertbarer Kunstgüter zu gelangen. Zur Ausstellung ist eine Broschüre erschienen.
Kontakt & Informationen
Ansprechpartnerin
Doris Kachel, M.A.
Wissenschaftliche Mitarbeiterin für Provenienzforschung
T +49(0)30-200 57-40 36
kachel@adk.de