Riefenstahl
Dokumentarfilm von Andres Veiel

Film und Gespräch

Als Regisseurin schuf Leni Riefenstahl ikonische Bilder. Ihre ideologische Treue zum NS-Regime hat sie nach dem Zweiten Weltkrieg stets zu leugnen versucht. Sie ließ nur eine Darstellung ihrer Biografie zu: ihre eigene. Der nunmehr zugängliche Nachlass erzählt eine andere. Andres Veiel unternimmt anhand des Materials eine Neubetrachtung von Leben und Werk einer der umstrittensten Frauen des 20. Jahrhunderts.

Andres Veiel: „Die eigentliche Herausforderung war, den gigantischen Fundus in eine filmische Erzählung zu bringen. Schon die ersten Funde machten auf Anhieb neugierig, zugleich warfen sie Fragen auf. Hatte Riefenstahl bestimmte Materialien gezielt hinterlassen, andere aussortiert? Wo sollte ich andere Quellen hinzuziehen?“

Anschließend Diskussion mit Nanna Heidenreich, Hajooj Kuka (D/Sudan), Andres Veiel, Karin Wieland

Begrüßung: Helke Misselwitz

Moderation: Rainer Rother

 

Produktionshintergrund

Der aus 700 Kisten bestehende persönliche Nachlass Riefenstahls befindet sich im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Der Regisseur Andres Veiel (Black Box BRD, Beuys) und die TV-Journalistin und Produzentin des Films Sandra Maischberger (Nur eine Frau), die als erste Zugang erhielten, haben es sich zur Aufgabe gemacht, einen tieferen Blick in das Leben von Leni Riefenstahl zu werfen. Sie gehen der Frage auf den Grund, wie Riefenstahl es geschafft hat, dass ihre Arbeiten bis heute – mehr als 80 Jahre nach ihrer Entstehung – als Blaupause für eine Feier des Schönen, Gesunden und Starken dienen. Abseits der bekannten Meinungen über Leni Riefenstahl will der Film eine tiefere Wahrheit freilegen, die aus den Widersprüchen des Nachlasses hervorschimmert. Veiel und Maischberger sehen sich einer Meisterin der Selbstdarstellung und Manipulation gegenüber, die auch dann noch auf ihrer Sicht der Dinge beharrt, wenn dies längst historisch widerlegt ist.

 

Auszug aus einem Interview mit Andres Veiel

Laufen Sie in dem Versuch, Riefenstahl auch als Opfer zu beschreiben, nicht Gefahr, sie von ihrer Verantwortung freizusprechen, Propaganda für ein Unrechtsregime betrieben zu haben?

Nein. Schon im Schreibprozess ging es mir darum, ihre Schuld und Verantwortung präzise herauszuarbeiten – auf Grundlage neuer bislang unveröffentlichter Dokumente. Ich wollte die Figur Riefenstahl in ihrer Entwicklung verstehen, ohne sie deshalb zu exkulpieren. Einen Menschen verstehen zu wollen, bedeutet nicht, ihm mit Verständnis zu begegnen.

Kann man, oder besser: darf man sich einer Figur wie Riefenstahl, der überzeugten Propagandistin eines Terrorregimes, mit einer ambivalenten Offenheit annähern?

Auch ich hatte Momente, in denen ich mich zwingen musste, mich von ihr nicht einfach nur abzuwenden. Diesen Zustand des Unwillens habe ich überwunden, sonst hätte es keinen Grund gegeben, den Film zu machen. Es gibt ein Leben vor der Schuld. Ihr Leben hätte sich in den 1920er Jahren noch ganz anders entwickeln können. Die Begeisterung für das NS-Regime hat nicht 1932 angefangen. Es gab zahlreiche lebensgeschichtliche, historische und generationelle Prägungen in den Jahrzehnten davor. Der Nachlass gibt uns zusammen mit weiteren Quellen die Chance, sich Riefenstahl in all ihren Widersprüchen annähern zu können. Das ist ja nicht nur ein sanftes Umkreisen der Figur, im Gegenteil: Diese Arbeit hat durchaus etwas Zerstörerisches. Ich muss etwas aufbrechen, um tiefer zu schauen. Und so entsteht Neugierde, mit neuen Fragen. Die haben den Schreibprozess angetrieben – der ja nicht frei von Krisen war.

Zum ersten Mal arbeiten Sie in Ihrem Film mit einem Kommentar.

Zunächst war ich davon überzeugt, dass ich das Material des Nachlasses nicht für sich sprechen lassen kann. Es würde die Stimme eines Autors brauchen, der die Funde einordnet und hinterfragt, manchmal auch dechiffriert. In welchen Momenten glaube ich ihr? Welche anderen Materialien aus weiteren Recherchen müssen hinzugezogen werden? Wofür stehen ihre Legenden, wofür braucht sie sie? Der Charakter des Kommentars hat sich im Lauf des Schnittprozesses dann aber grundlegend gewandelt. Zu Beginn war er wertender, wenn man so will: entlarvender. Ich musste mich als Autor gegen ihre Lügen wehren, sie enttarnen. Mehr und mehr übernahm diese De-Chiffrierung ihrer Erzählungen dann aber die Montage. Und das fast ausschließlich aus den Materialien des Nachlasses selbst. Offenbar hat sie eben viele der Materialien, die sie im Kern belasten, nicht als solche erkannt.

Sehen Sie in Leni Riefenstahl noch die Filmemacherin, die ikonographische Bildwelten geschaffen hat?

Riefenstahl war eine Meisterin der Montage. Wir zeigen Ausschnitte aus „Olympia“, etwa auch die bekannte Turmspringer-Sequenz. Wir geben damit Riefenstahls Feier des Schönen, Starken und Siegreichen durchaus einen Raum. Die Sequenz entfaltet auch heute noch eine starke Wirkmächtigkeit, es wäre falsch, sie nicht zu zeigen. Was diese Bilder verschweigen, erzählen wir an anderer Stelle – im Kontext etwa des Schicksals des Kameramanns Willy Zielke. Er hatte den Prolog von „Olympia“ weitgehend eigenverantwortlich gedreht. Kurz nach den Dreharbeiten brach er zusammen, kam in die Psychiatrie. Kein halbes Jahr später wurde er zwangssterilisiert. Leni Riefenstahl wurde davon informiert, ist aber nicht eingeschritten. Im Film erzählen wir darüber die Nachtseite der Riefenstahl’schen Ästhetik: die Verachtung des Anderen bis zu dessen Ausmerzung. Diesen Zusammenhang hat Riefenstahl ihr Leben lang verleugnet.

Quelle: Presseheft, Majestic Filmverleih

Samstag, 26.10.2024

19 Uhr

Hanseatenweg

Studio

Riefenstahl, D 2024, 115 min
Regie und Drehbuch: Andres Veiel
Deutsche Originalversion mit englischen Untertiteln

Anschließend Diskussion mit Nanna Heidenreich, Hajooj Kuka (D/Sudan), Andres Veiel, Karin Wieland

Begrüßung: Helke Misselwitz

Moderation: Rainer Rother

€ 7,50/5