1990
Konrad Knebel
Konrad Knebel studiert an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee bei Arno Mohr, Bert Heller und Toni Mau und arbeitet seit 1957 als freischaffender Maler und Grafiker in (Ost-) Berlin. Früh findet Knebel die Themen, die sich durch sein gesamtes Werk ziehen: Vorstadtstraßen, Industriestädte, Leerstände, Verkehr, der Mensch und Arbeiter in seinem städtischen Umfeld. Der Künstler arbeitet vor Ort und schafft in harmonisch kontrastierten Gemälden und intensiven Zeichnungen Stadtlandschaften, die die herbe Schönheit des unbeachteten Alltäglichen in seiner Wesenhaftigkeit erlebbar werden lassen. Knebels Bilder beschreiben eine vom Menschen gebaute und schwermütige Welt, oft in Abendstimmung oder Morgendämmerung und fernab von poetisch freudiger Naturverbundenheit.
Textbeiträge zur Preisverleihung
„In Konrad Knebels Bildern ist ein Schweigen, das anders lastet als die vibrierende Stille eines Portraits oder eines Stilllebens. In einem dramatischen Augenblick des Schwebens scheinen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zum momentanen Stillstand gekommen.“ (Auszug Laudatio)
Konrad Knebel gehört zu den bekanntesten Berliner Künstlern. Sein ausschließliches Motiv ist die Stadtlandschaft. Diese Einschränkung ist keine Beschränkung, weil der Maler das Charakteristische besonders der alten Architektur, ihre Größe und Würde, Mannigfaltigkeit und Geschlossenheit in unverwechselbarer Gestaltungsweise eindringlich bewusst macht. Der Ungeschminktheit dieser Darstellung entspricht aber nicht naturalistische Zufälligkeit, sondern die bei Knebels Bildern stets beherrschende kompositorische Ordnung. Auch das Chronistische fällt unter die selbstgestellten Aufgaben des Künstlers; verfallene, verbrauchte, für den Abriss bestimmte Häuser hält er als Zeugnisse des Lebens ihrer einstigen Bewohner in seinen Bildern fest und macht dadurch auf die Geschichte eines Straßenzuges, auf die sozialen Verhältnisse der früheren und der heutigen Bewohner, auf den Organismus einer Stadt nachdrücklich aufmerksam. Mit dieser eigentümlichen, an Otto Nagels Pastelle aus dem alten Berlin erinnernden Sorgfalt ist eine Gestaltungsweise verbunden, die Knebels Bildern hohen künstlerischen Rang sichert. Der erwähnten kompositorischen Geschlossenheit seiner Darstellungen entspricht eine kultivierte Farbigkeit, die dem Atmosphärischen, dem besonderen Licht über einer bestimmten Stadt Ausdruck gibt. Seine Malerei befriedigt jedoch nicht allein das lokale Interesse. Ihre Qualität erhebt sie bei aller Bindung an den jeweiligen Gegenstand über eine örtlich eingeschränkte Bedeutung. Knebel demonstriert die Möglichkeit von künstlerischer Verallgemeinerung bei gewahrter topografischer Treue. Diese hochzuschätzende Fähigkeit ermöglicht es dem Maler, mit seinem sensibilisierenden Schaffen in seiner Zeit auf spezifische Weise zu wirken.
Die Sektion Bildende Kunst der Akademie der Künste schlägt Konrad Knebel zur Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis vor.
Laudatio, vorgetragen von Nuria Quevedo anlässlich der Preisverleihung am 22. März 1990:
Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, lieber Konrad Knebel.
Es gibt gute und interessante Texte, die das Werk Konrad Knebels dokumentieren und aus kunstwissenschaftlicher Sicht die formale Entwicklung seiner Bildsprache untersuchen.
Ich möchte heute von meiner persönlichen, also sehr subjektiven Beziehung zu einem bestimmten Teil seines Werkes, sprechen. Es sind dies die Berliner Stadtlandschaften, die vornehmlich in den letzten zehn Jahren entstanden sind.
Diese Bilder zeigen eine Welt, darin nach meinem Empfinden mehr Magisches enthalten ist, als man im ersten Augenblick wahrhaben will. Zwar ist nichts vorhanden an formaler Exzentrik, keine surrealen Hilfsmittel, keine absurden Elemente, nichts Traumhaftes, was den wilden Kräften des Unbewussten freien Lauf ließe. Doch empfinde ich Beunruhigung beim Betrachten dieser Leinwände. Das ist vergleichbar dem Blick in den Spiegel, der mir das allzu bekannte Bild meiner selbst und meiner Umgebung wiedergibt, aber unerreichbar, kristallisiert und unwirklich in seiner erschütternden Realität. In Konrad Knebels Bildern ist ein Schweigen, das anders lastet als die vibrierende Stille eines Portraits oder eines Stilllebens. In einem dramatischen Augenblick des Schwebens scheinen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zum momentanen Stillstand gekommen.
Der Surrealismus und das real Wunderbare, der magische Realismus, waren wichtige Momente in der Kunstentwicklung unseres zwanzigsten Jahrhunderts. Konrad Knebel ist natürlich einem Franz Kafka viel näher als der überschwänglichen, üppigen Fantasie eines Gabriel García Márquez.
Wenn ein Mensch beschließt, Maler zu werden, so wird er mit zwei unausweichlichen Hürden rechnen müssen: dem Wesen seiner Zeit und die Stellung, die diese Zeit dem Beruf des Malers zuordnet. Im Zusammenhang mit diesen Überlegungen habe ich in Konrad Knebels biografische Daten nachgelesen. In den dreißiger Jahre geboren. Frühe Jugend in den Vierzigern. Ende der Fünfziger beginnt die berufliche Arbeit. Der Charakter jedes Jahrzehnt wird mir bewusst, oft verhängnisvoll geprägt von Ereignissen, die wir alle gut erinnern.
Die neunziger Jahre dieses Jahrhunderts der Flüchtlinge und Emigranten haben nun gerade begonnen und wir verharren in Erwartung. Mag sein, das Erlebnis des Herbstes 1989 in diesem Land und die Ereignisse der letzten Zeit bestimmen heute den Lauf meiner Gedanken. Dem wollte ich mich nicht entziehen.
In meiner Zuneigung für spanische Traditionen und aus der Überzeugung heraus, dass deutsche und spanische Kulturen starke Berührungspunkte haben, sprach ich schon vor einiger Zeit in dieser Akademie von meiner Liebe zu Don Quijote und von der Erwartung seiner Auferstehung. Aus heutigem Anlass habe ich mich gefragt, ob in den einsamen Straßen, die Konrad Knebel uns zeigt, nicht irgendwo die Anwesenheit des wackeren Ritters von der traurigen Gestalt auszumachen wäre, oder die Ankündigung seiner Erscheinung. Es stimmt mich traurig, dass ich den edlen Ritter nicht sehe, noch nicht. Oder nicht mehr. Es sei denn, wir werfen einen Blick auf den Maler selber. Seine Liebe gilt der sterbenden Stadt und sein Engagement war lange Zeit, (und wird es vielleicht noch lange Zeit bleiben) ein Kampf gegen Windmühlen und Phantome.
Vieles ist nun unwiederbringlich verloren. Manches wird neu entstehen.
Der Preis der Akademie der Künste trägt den Namen der wunderbaren Käthe Kollwitz. Auch das Haus in Berlin, in dem sie, Zeugin deutscher Geschichte, vierzig Jahre lebte, existiert nicht mehr. Aber in den Straßen des Prenzlauer Bergs ist noch deutlich die Spur ihrer Zeit zu sehen und am Kollwitzplatz glaube ich noch etwas von ihrer Gegenwärtigkeit zu erahnen. Zwischen ihrem Wirken und Konrad Knebels Werk sehe ich einen überzeugenden Zusammenhang.
Meine herzliche Gratulation dem Preisträger.