1991

Manfred Butzmann

Der Grafiker Manfred Butzmann ist Künstler, Kritiker, Mahner und war Aktivist in der kirchlichen Friedensbewegung. Seine künstlerische Karriere beginnt in den 1960er Jahren in Ost-Berlin. Seit 2007 arbeitet er wieder in seiner Geburtsstadt Potsdam. Bekannt wird Butzmann durch seine eindrücklichen Schilderungen von Berliner Hinterhöfen, schwarzen Giebelwänden und der Grenzmauer. In seinen poetisch-melancholischen Grafiken und politischen Plakaten gibt es immer Widerhaken, die zu Verboten vieler seiner Arbeiten in der DDR führen. Bis heute ist er politisch aktiv und prangert beispielsweise drohende Verluste durch den Klimawandel an, wie in der Reihe Heimatkunde (1992).

„All das, was man heute leicht verharmlosend Wende nennt, weil mit dem entsprechenden Abstand zu den Ereignissen vielen das Wort Revolution doch zu groß vorkommt, war das Werk von Menschen wie Manfred Butzmann.“

Klaus Staeck

Textbeiträge zur Preisverleihung

„Gäbe es viele wie Manfred Butzmann, dann stünde es um vieles weitaus besser.“ (Auszug Laudatio)

Manfred Butzmann, gelernter Offsetretuscheur, ist Grafiker und Aquarellist, Buchillustrator und Plakatgestalter. Besonders die differenzierte Beobachtung des Berliner Lebens hat seiner meisterlichen Grafik Anerkennung gebracht. Das ausgeprägte Gefühl für lokale Besonderheiten, die den Lebensraum vieler Menschen bestimmen, und für die akuten Gefährdungen dieser unverzichtbaren Qualitäten prägt die Arbeiten des Künstlers. Die perfekte handwerkliche Gestaltung der grafischen Werke ist niemals artistischer Selbstzweck, sondern stets das Mittel auf diese Werte aufmerksam zu machen. Diesem Anliegen entsprechen auch Butzmanns Fotoplakate und -postkarten, die (in eigenem Auftrag entstehend) aktuelle politische und ökologische Themen wirkungssicher behandeln und seit langem Butzmanns Aktivitäten als Dokumentarist gefährdeter Architekturdenkmäler und als Umweltschützer begleiten.

Manfred Butzmann entspricht mit diesen Unternehmungen und mit seiner bedeutenden Kunst dem Bekenntnis von Käthe Kollwitz, in ihrer Zeit wirken zu wollen.

Laudatio, vorgetragen von Konrad Knebel anlässlich der Preisverleihung:

Meine Damen und Herren, liebe Kollegen, lieber Manfred Butzmann.

Dem diesjährigen Vorschlag für den Käthe-Kollwitz-Preisträger habe ich mit besonderer Spannung entgegengesehen, denn turnusgemäß war ich diesmal an der Reihe, ein paar Worte dazu zu sagen. Als ich von Manfred Butzmanns Nominierung erfuhr, war ich aus verschiedenen Gründen froh, denn zu ihm habe ich Beziehung, ich schätze ihn und seine Arbeit seit langem. Aber erst nach meiner Zusage wurde mir völlig klar, wie schwierig es ist, über jemanden zu sprechen, der sich in so vielfältiger Weise, mit Stetigkeit und Humor, aber oft unbequem an die Öffentlichkeit gewandt hat, von dem also jeder schon sein Bild hat. Leider sind unter den vielen Butzmann-Porträts in den Köpfen inzwischen auch viele Vorurteile. Viele haben sich mit ihm beschäftigt, und es sind viele gute und treffende Dinge über ihn gesagt worden. Ich kann nur versuchen, mein Bild hinzuzusetzen – oder etwas davon. Da ich nicht geübt bin im Reden, wird es weniger präzise sein als das anderer.
Zu meinem Bild von Manfred Butzmann gehört, dass es bei ihm die heute so typische Trennung zwischen fremdbestimmter beruflicher Arbeit und irgendeinem Engagement in der Freizeit überhaupt nicht gibt. Man könnte sagen, dass diese Trennung bei Künstlern ohnehin kaum vorhanden ist. Aber bei Manfred Butzmann geht doch in besonderer Weise alles ineinander über und bedingt einander. Seine moralisch-ethische Grundhaltung, sein Verantwortungsgefühl für Mitmenschen und sowohl belebte als auch unbelebte Umwelt sprechen ebenso überzeugend aus seinen künstlerischen Arbeiten wie aus seinen sogenannten Aktionen (ob es sich um Begrünung von Laternenpfählen, um die Organisation von Kinderfesten oder ob es sich um Probleme der Wegwerfgesellschaft handelt –Containerkreuz).
Die ersten von Manfred Butzmann bekannt gewordenen Berlin-Blätter hatten mich sofort sehr beschäftigt und auf seine weitere Entwicklung neugierig gemacht. Es ist sicher nicht verwunderlich, dass gerade die zwei Mappen zum Steinernen Berlin für mich als Maler von Stadtlandschaften zu einem zentralen Beziehungspunkt zu Manfred Butzmann wurden, allerdings eng in Verbindung mit einer Mappe mit Blättern zur Armee, die den herausfordernd zurückhaltenden Titel Eindrücke trägt. Ich suche immer, alles, was davor und das, was danach entstanden ist, in Beziehung dazu zu bringen.
Die „Eindrücke“ schließen eine erste Phase ab und beginnen etwas Neues. Diese mutige, unbequeme, auch in ihrem Nacheinander sehr gut komponierte Folge von Blättern enthält im Keim für mich schon, was sich danach alles entwickelt, wie z. B. die mit kurzen pointierten Texten versehenen Plakate, Postkartenfolgen usw. zusätzlich zu immer neuen bildhaften Darstellungen. Die Entwicklung führt logisch von den Eindrücken bis hin zu den Abdrücken bzw. zu den Abreibungen.
In bereits wieder gewandelter Form enthalten auch die zwei Folgen zum Steinernen Berlin all das als eine mögliche Konsequenz. Mit den Eindrücken beginnt der Versuch, nicht nur ein persönlich gefärbtes Bild zu geben, sondern sehen zu lehren.
Im Steinernen Berlin, dessen Titel von dem berühmten schonungslosen Buch Hegemanns von 1930 stammt, wird nicht illustriert, was Hegemann als oft verhängnisvolle Gesetzmäßigkeiten des baulichen Wachstums und der baulichen Veränderungen Berlins aufzeigt, dieser Stadt, die sich schon mehrfach selbst zerstört hat – wie immer man das auffassen will –, sondern es wird schlaglichtartig beschrieben, wie verwandelte Formen eines immer noch ähnlichen Grundmusters von Gesetzmäßigkeiten in dieser Stadt weiter wirksam gewesen sind, immer neue Unstimmigkeiten hervorbringend.
Zunächst scheint es um eine mehr oder weniger beliebige Sammlung von Stadtlandschaften zu gehen, um Ansichten, die jeder kennt oder um Dinge, die man in ähnlicher Form sehr oft gesehen hat. Aber man entdeckt dabei, dass die Blätter mehr oder weniger alle zu einer Art Formel für eine Fülle ähnlicher Zusammenhänge in dieser Stadt werden, oft dabei Grundsätzliches in Bezug auf Stadt, Sozialstruktur, auf menschliches Verhalten über den Rahmen dieser Stadt hinaus infrage stellend.
In einer Ausstellung sprachen wir einmal vor dem Blatt mit dem Zeughaus und dem Außenministerium darüber, dass uns Berlinern von den damaligen Funktionären oft vorgeworfen wurde, ständig sonst was für Ecken von Berlin darzustellen aber nicht die Stätten des repräsentativen Berlins. Manfred Butzmann meinte, dass es hier zwar nun zu sehen sei, aber sie würden damit wohl auch nicht recht froh werden. Dieses Blatt weist trotz seiner Schönheit auf lauter Unstimmigkeiten hin: die Gebäude, die fremd zueinander stehen, die sich in den Proportionen nicht aufeinander beziehen, sie im Gegenteil zerstören, dazu die ins Leere gehende übriggebliebene Treppe, das Hochhaus im Hintergrund usw.
Viele der Blätter versuchen einen merkwürdigen Balanceakt: An dem eben beschriebenen Blatt ist sichtbar, dass es Endpunkt einer Reihe ist, die mit einem vor der Tür gemalten Aquarell begonnen haben könnte. Andererseits wird scheinbar nur konstatiert, was da ist. Das bewegte Element mancher früherer Blätter ist im ganzen Zyklus zurückgenommen. Alles, was ablenken könnte, wie z. B. eine zusätzliche Bewegung durch Wolken, ist weggelassen worden. Alles konzentriert sich auf die meist durch dargestellte Gebäude entstandenen Flächen, die fast ausschließlich die Stimmung des jeweiligen Blattes erzeugen. Die Sprödigkeit und Zurückhaltung des Ganzen lässt den Blick frei für das Gleichnishafte. Zugleich aber ist der Ausgangspunkt noch sichtbar, das Erlebnis der Materialität eines Gegenstandes im Gespräch mit Licht und Luft und verhindert, dass das Blatt zur Formel gerinnt.
Auch bei den Fotoplakaten und Postkartenreihen herrscht eine Art von Zurückhaltung, die immer dem Betrachter den Weg zum eigenen Urteil offenlassen möchte, hoffend, dass er sich nicht nur auf Widersprüche hinweisen lässt, sondern dass er allmählich lernt, sie selbst wahrzunehmen. Bildprobleme treten bei der Gruppierung oder Reihung zurück. Oft scheinen verwendete Fotos fast so, als hätte sie jedermann machen können. Das Unspektakuläre der Mittel zeigt jedermann, was er selbst an Ähnlichem hätte entdecken können, ist ein Versuch, mit jedermanns Sehweise gerade diese Sehweise zu schärfen.
Es geht in diesen Reihungen meist auf ein negatives Endbild hin. So, wie ich als Kind bei manchen positiv endenden Reklamebildreihen bald misstrauisch wurde und meinte, sie seien einfach in ihrer Reihenfolge vertauscht worden, so hoffe ich jetzt hierbei insgeheim, sie seien ebenfalls vertauschbar. Es geht um Verluste, nicht um Zuwachs an Kultur oder Vernunft. Oft drängen sich dabei soziale Vergleiche auf. Es wird auf Widersprüche, auf Zerstörung von Kultur und Natur aufmerksam gemacht. Es wird gezeigt, woran alles wir uns schon gewöhnt haben, ohne dass wir darüber stolpern. Wir werden dazu gebracht, vor uns selbst zu erschrecken.
In diesen Reihungen mit meist negativer Tendenz steckt trotz allem nichts Kassandrahaftes, sondern für mich geht von Butzmanns Arbeit insgesamt immer Hoffnung aus, ein Aufruf zum tätigen Mithelfen, Hoffnung zu verwirklichen.
Gäbe es viele wie Manfred Butzmann, dann stünde es um vieles weitaus besser. Ich freue mich sehr, dass gerade er für den Käthe-Kollwitz-Preis vorgeschlagen wurde, weil er nicht nur durch künstlerische Arbeit sondern auch durch soziales Engagement und Verantwortungsbewusstsein mit Käthe Kollwitz verbunden ist.

Sehr verehrte Damen und Herren!

Wir leben nun also in einer Gesellschaft, die den Preis von allem kennt – und den Wert von nichts. – Das hörte ich vor vielen Jahren einmal von Horst Stern in einer Fernsehsendung über Umweltprobleme. Keinen Preis haben Dinge, die unschätzbar wertvoll sind oder Dinge, die absolut wertlos sind. Also keinen Preis haben, kann etwas unschätzbar Wertvolles sein – oder die absolute Nutzlosigkeit verkörpern.
Wir merken spätestens hier, dass Preise – der Lobpreis und der Geldpreis – eine der relativsten Größen sind – und erst recht in Wendezeiten! Was ist da ein Kunstpreis wert – für wen? Wenn sich alles wendet – und auch der Wert von allem?
Nun gut. Bitte verzeihen Sie mir den wortspielerischen Vorspann.

Hätte ich den Preis 1989 bekommen, wäre es zu früh gewesen, da ich ihn vor Claus Weidensdorfer und Konrad Knebel bekommen hätte – aber hätte ich den Preis damals bekommen, hätte es mir Mut gegeben, mein bittertrauriges Plakat Stalin hat uns glücklich gemacht. sofort zu drucken – nicht erst im September 1989, was einigen alten Genossen Künstlern noch zu früh war.
Also noch 1989 wäre dieser Künstlerpreis für mich ein im besten Sinne politischer Preis gewesen, den ich zwar beschämt, der großen Namensgeberin wegen, aber gern angenommen hätte, weil er mir den Rücken gestärkt hätte.
Jetzt dagegen habe ich das Gefühl, dass die Preisvergabe anderen den Rücken stärken sollte oder könnte, eventuell denen, die ihn mir 1989 aus politischen Gründen nicht gegeben hätten?
Das wäre mir zu billig.
Doch jetzt will ich es endlich sagen: Ich habe mich sehr über die Preisentscheidung der Akademie gefreut und besonders auch darüber, dass die drei verruchten Punkte hinter dem Kollwitz-Zitat von 1922 weggefallen sind.
Hieß es beim Zitieren bisher fast immer nur:

„Ich will wirken in dieser Zeit ...“
so steht diesmal endlich auf der Preisurkunde:
„Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat. Ich will wirken in dieser Zeit, in der die Menschen so ratlos und hilfsbedürftig sind.“

Ich bedanke mich also herzlich für den Preis. Und ich bedanke mich bei den Mitarbeitern der Akademie, die mir diese Ausstellung so geduldig, fachmännisch und einfühlsam eingerichtet haben. Ich habe noch nie so viel Freude beim Aufbau einer eigenen Ausstellung empfunden.
Konrad Knebel danke ich besonders, dass er mich offenbar besser erkannt hat, als ich mich selbst. Und ich will mich auch öffentlich bei meiner Pankower Rechtsanwältin und bei meinen Westberliner Rechtsanwälten bedanken, deren Hilfe beim Erwirken einer einstweiligen Verfügung zum Zutritt zu meinen gekündigten Arbeits- und Atelierräumen verhinderte, dass ich hier als Nervenbündel vor Ihnen stehen muss.
„Wo aber Gefahr ist, wächst / Das Rettende auch“ heißt es bei Friedrich Hölderlin.
[– Im Gedicht PATMOS, 1803 –]
Wenn es doch nur öfter stimmen würde!

Bleiben wir der Ehrlichkeit halber ruhig bei den Gefahren.
Ich könnte der letzte Käthe-Kollwitz-Preisträger in der würdigen Reihe vieler von mir hochverehrter und auch alter geliebter Kollegen wie Herbert Tucholski und Curt Querner sein. Das ist jedoch auch kein nachträglicher Beweis dafür, dass auch Butzmanns Arbeiten in der DDR einen Preis verdient hätten. Ich möchte aber nicht so etwas wie ein Alibirad am Preiskarren sein. – Doch darf denn eine in Abwicklung befindliche Akademie überhaupt noch Preis vergeben?
Der Kultursenator meint, da es die DDR nicht mehr gibt, brauche es auch keine Akademie dieser ehemaligen DDR mehr zu geben.
Doch es war trotz aller Bevormundung auch eine Akademie der Künstler.
Und diese Künstler gibt es noch!

Im Kupferstichkabinett durfte ich vor vielen Jahren mal Chodowieckis großes Werkstattbuch ansehen – mit allen Probedrucken. Dieses Heiligtum für Grafiker gehörte der Preußischen Akademie der Künste, deren Nachfolgeakademie man 1950 im Ostteil der Stadt neugründete. Erst 1954 wurde die Akademie der Künste in West-Berlin ins Leben gerufen.
Jetzt soll zusammenwachsen, was zusammen gehört. Auch Oberkiefer und Unterkiefer gehören zusammen. Doch zusammengewachsen, wären sie ihrer Wirkung beraubt.
Wirkung entsteht in der Grafik – um bei meinem Gebiet zu bleiben, was vielleicht vernünftiger ist – durch Druck und Gegendruck.
Wo beispielsweise bei den Steinabreibungen kein Gegendruck vorhanden ist – weil eine Vertiefung im Stein ist –, entsteht nichts Sichtbares.
Bei unsauberer, hastiger Arbeitsweise nimmt das Seidenpapier an diesen Stellen allerdings Schmutz an – das sieht nicht gut aus.
Behutsamkeit ist also bei künstlerischer Arbeit sehr wichtig. Und schaden wird sie in der Politik wohl auch nicht!
Fügen wir also auch dort zusammen, was wirklich zusammen gehört.
Nehmen wir sorgsam Maß.
Lassen wir die Natur wachsen und lassen wir sie unsere manchmal zu gewaltsamen Korrekturen ausgleichen.
Was machtpolitische Klugheit schnell zusammengefügt hat, weil viele es mit Macht wollten, muss noch lange nicht zueinander passen.
Ich predige also Behutsamkeit und Geduld und Gewaltlosigkeit.
Könnte nicht der Umgang zweier Kunstakademien miteinander etwas behutsamer, geduldiger und friedfertiger sein als es gemeinhin der Umgang von Machtinstitutionen gegeneinander ist?
Könnte nicht das erwähnte Werkstattbuch des Meisters Chodowiecki auch einer Brandenburgischen Akademie gehören?
Könnte nicht die Umbenennung der Otto-Nagel-Straße, der Sella-Hasse-Straße, der John-Heartfield-Straße und der Puschkinallee verhindert werden?
Muss das Haus der Ministerien, wie Görings Luftfahrtministerium in der DDR-Zeit hieß, so aufwendig restauriert werden? Nach den Originalplänen, wie es heißt. Braucht die Treuhandgesellschaft dort alle 1360 Büroräume – „in Berlins größtem Bürohaus“, wie es auf der Tafel steht? Oder sollte nicht besser in diesem riesenhaften, einschüchternden Nazibau das Zimmer des SED-Parteisekretärs des Hauses der Ministerien und die sicher auch vorhandene Waffenkammer so belassen werden?
Das wäre sinnlich erlebbarer Geschichtsunterricht. Und so könnte das eingesparte Geld für weitere Käthe-Kollwitz-Preise und weitere Heinrich-Mann-Preise verwendet werden, die eine Berliner Akademie der Künste – welche auch immer! – vergeben könnte.

Vielleicht wäre das auch im Sinne des ermordeten Präsidenten der Treuhandgesellschaft, der mir – weil er mich und meine Arbeit kennenlernen wollte – im Februar 1990 schrieb:

„Ich habe nichts Besonderes auf dem Herzen, aber es ist so, dass ich sehr viel mit Offiziellen der alten und der neuen DDR zusammen komme; mit Künstlern oder Menschen aus dem geistig-kulturellen Leben der DDR aber leider gar nicht, was ich bedauere, denn in diesem Milieu denkt man sicherlich über manche Fragen anders als am Runden Tisch oder im Kreise der Generaldirektoren der Kombinate.“

Als ich mich von der Treuhandpolitik betroffen fühlte, schrieb ich vor Ostern an Dr. Rohwedder. Die einzige Antwort: Am Gründonnerstag ein Anruf seines persönlichen Referenten. Denn vier Tage später wurde der Chef der Treuhandgesellschaft umgebracht.

Lassen Sie mich zum Schluss das Vor- und Nachwort der Bettelordnung der Stadt Wismar aus dem Jahre 1672 (deren Wiedereinführung ich auf meinem gerade entstandenen Plakat vorgeschlagen habe) zitieren:

VORWORT:
Reiche und Arme müssen untereinander seyn/
der HERR hat sie alle gemacht.
Es werden allzeit Armen seyn im Lande/
darumb gebiete ich dir/ und sage:
Daß du deine hand auffthust deinem
Bruder der bedrengt und arm ist in deinem Lande.

NACHWORT: Psalm 41
Woll dem/ der sich des Dürftigen annimbt/
den wird der HERR erretten zur bösen Zeit.
Der HERR wird ihn bewahren/
und beym Leben erhalten
und Ihm lassen wolgehen auff Erden/
und nicht geben in seiner Feinde willen.
Der HERR wird Ihn erquicken auff seinem Siegbette.

Vielleicht wird heute nicht der letzte Käthe-Kollwitz-Preis vergeben!

Mit dieser Hoffnung will ich mich nochmals herzlich bei denen bedanken, die mir diese Freude bereitet haben – und auch bei denen, die Geduld hatten, mir zuzuhören.