Stipendiatinnen / Stipendiaten 2006

Yto BarradaYto Barrada
Stipendiatin der Sektion Film- und Medienkunst 2006

Jury: Barbara Klemm, Ute Eskildsen und Hanns Schimansky

Yto Barrada wurde 1971 als Kind bürgerlicher Eltern marokkanischer Abstammung in Paris geboren. Sie wuchs in Tanger / Marokko auf, studierte an der Sorbonne in Paris Geschichte und Politikwissenschaft sowie am International Center of Photography in New York.
Sie lebt heute abwechselnd in Paris und Tanger.
Zwischen 1998 und 2004 arbeitete sie an einem umfangreichen Projekt, das unter dem Titel „A Life Full of Holes – The Strait Project“ in mehreren Ausstellungen gewürdigt wurde. Erst kürzlich wurde Barrada mit drei weiteren Finalisten (Robert Adams, Alex Soth und Phil Collins) für den Deutsche Börse Photography Prize 2006 nominiert.
Barradas Fotografien sind im klassischen Sinne Straßenfotografien, Aufnahmen, die aus dem Moment heraus entstehen, denen aber klare konzeptuelle Kriterien zugrunde liegen. Im Rahmen von Ausstellungen stellt Barrada ihre Farbfotografien, die je nach Bild zwischen 60 x 60 und 120 x 120 cm messen, immer wie zu neuen Wand- und Rauminstallationen zusammen. Zugleich arbeitet sie mit den Ausdrucksformen Film und Installation und überschreitet so auch bewußt die Grenzen der Fotografie.
In ihren Arbeiten behandelt Barrada das heutige Leben in Tanger, das nicht nur von dem teilweise unvereinbaren Aufeinanderprallen moderner Lebensformen und traditioneller islamischer Werte geprägt ist, sondern von der besonderen geographischen Lage der Stadt. Tanger, an der Nordspitze von Marokko liegend, nur durch die Straße von Gibraltar vom europäischen Festland getrennt, ist Zufluchtsort und zugleich Wartehalle vieler, zumeist illegaler Auswanderer, erfüllt von den Hoffnungen auf ein besseres, ein freieres Leben in Europa. Momente des Wartens, des Abschieds und des Übergangs zwischen zwei Welten nehmen einen zentralen Raum ein und bestimmen zugleich die Wahrnehmung der Stadt, ihrer Topographie und Bewohner. Die Künstlerin verweigert sich jeder klischeehaften Darstellung, wie sie die nordafrikanische Kultur in der westlich geprägten Bildwelt erfahren hat, sie verbindet einen dokumentarischen Ansatz mit einer eigenwilligen metaphorischen Bildsprache. Sie überzeugt durch formal ungewöhnliche Bildfindungen von großer Intensität und unmittelbarer Authentizität, in denen auch ihr eigenes Gespaltensein zum Ausdruck kommt.

Dr. Inka Graeve Inglemann
Konservatorin für Fotografie und Neue Medien
Pinakothek der Moderne, München

Werkbeispiele

Yto Barrada – Factory 1 – Prawn processing plant in the Free Trade Zone – Tangier 1998 Yto Barrada – Man with a stick – Tangier 1999