Junge akademie
„Vorläufige Durchsuchung“
Ausstellung vom 22.4. bis 21.5. am Hanseatenweg
Robert Kudielka, Direktor der Sektion Bildende Kunst, der sich selbst als freundlich-kritischen Betrachter der „jungen akademie“ bezeichnete, eröffnete die Ausstellung am 22. April stellvertretend für den verhinderten amtierenden Präsidenten Matthias Flügge.
Aus der frei gehaltenen Rede von Robert Kudielka:
(...) Was, frage ich mich, kann eine sogenannte „junge akademie“ in der Akademie der Künste sein? Ein naheliegendes Angebot ist gewiß der Austausch mit uns älteren Mitgliedern, die im Durchschnitt ziemlich genau dreißig Jahre älter sind als die vier jungen Künstler, die hier ausstellen. Ein solcher Austausch könnte gerade wegen dieses Abstands sinnvoll sein. Matisse hat die jungen Maler davor gewarnt, sich zu sehr auf die unmittelbar vorangehende Generation zu beziehen, weil deren Einfluß sie versklave. Im Grunde ist es hilfreich, ein bißchen weniger verstrickt in die Gegenwart zu sein, nicht mehr direkt in Konkurrenz zu stehen, um jungen Künstlern offen zu begegnen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Es wäre auf jeden Fall eine große Chance. Daß sie noch völlig unzureichend genutzt wird, das müssen wir von der „alten Akademie“, auch von der Sektion Bildende Kunst, uns erst einmal selber ins Buch schreiben. (...) Ich hoffe, wir können das in Zukunft verbessern.
Die andere spezifische Möglichkeit der Akademie ist zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung zugleich ihr Dilemma – denn sie ist ja nicht einfach eine Filmbühne, ein Konzerthaus, ein Theater, eine Literaturwerkstatt, ein Kunstmuseum oder eine Architekturgalerie, sondern umfaßt alle diese Künste in einem Haus. Das ist eine einzigartige Chance und für viele von uns der Grund, weshalb wir überhaupt an dieser Akademie interessiert sind. Auf der anderen Seite ist das auch eine Schwierigkeit. Die höchst unterschiedlichen Darstellungsformen der einzelnen Künste müssen irgendwie miteinander auskommen. Das dunkle, von der Fachkritik und den Fachwissenschaften kaum je erahnte Geheimnis einer Akademie lautet: In der Praxis gibt es keine Kunst – es gibt nur die Künste. Sie sind hinsichtlich ihrer Geschichte und in ihrer gesellschaftlichen Verankerung sehr verschieden. Um herauszufinden, was ihnen gemeinsam ist, müssen sich die Mitglieder der Akademie zusammentun. Diese Kontaktaufnahme ist nicht ganz einfach, aber reizvoll, und es könnte für die Künstler der „jungen akademie“ fruchtbar sein, einmal über den eigenen Horizont hinaus mit dieser Situation konfrontiert zu werden. Das wird im nächsten Monat sichtbarer werden, wenn vom 15. bis 21. Mai die Werkstatt der „jungen akademie“ stattfindet, wie immer hauptsächlich betreut von Renate Schubert. Dort werden dann auch die Künstler der anderen Sektionen teilnehmen. (...)
Von den vielen offenen Problemen der „jungen akademie“ haben wir in der Sektion Bildende Kunst inzwischen eines, glaube ich, einer Lösung näher gebracht – nämlich das Auswahlverfahren. Die Teilnehmer können nicht nur von den Mitgliedern der Sektion, sondern auch von ehemaligen Mitgliedern der „jungen akademie“ vorgeschlagen werden; dazu werden Kuratoren und Kritiker von außerhalb gebeten, Künstler zu benennen. Eine Jury aus Mitgliedern der Sektion, die keine Vorschläge gemacht haben, trifft dann die endgültige Auswahl. So ist die Gruppe von vier Künstlern zustandegekommen, die hier unter dem gemeinsamen Titel „Vorläufige Durchsuchung“ ausstellen. Ich habe da zuerst etwas gestutzt – meine Generation hat noch immer ein polizeifeindliches Gehör. Aber dann fand ich doch, daß es ziemlich zeitgemäß ist, nicht mehr von „Untersuchungen“ zu sprechen, denn beim Untersuchen weiß man ja von vornherein, was der Gegenstand ist. Die aktuelle Situation ist eher dadurch bestimmt, daß die einen „ihr Ding durchziehen“ und die anderen sich irgendwie durchmogeln; einige darüber jammern, was sie alles durchmachen müssen, und die Mehrheit eine Regierung gewählt hat, die uns „durchzuregieren“ versucht. Da scheint es schon angebracht, mal zu durchsuchen, wo wir eigentlich gelandet sind. Irgend etwas stimmt vermutlich mit uns allen nicht so ganz. Der strenge Titel ist also recht angemessen. Außerdem gefällt mir natürlich, daß alle vier Beiträge eine Ortsbezogenheit aufweisen, die unwillkürlich die Neugier auf das große, immer wieder verschobene Ausstellungsvorhaben der Akademie wiederbelebt. Genau in einem Jahr, am 22. April 2007, soll am Pariser Platz und hier am Hanseatenweg die Ausstellung „RAUM. Orte der Kunst“ zu Ende gehen. (...)