Wohnungs- und Siedlungsbau
Welcher Weg führte von der im NS-Staat anfänglich dominierenden Propaganda volkstümelnder Siedlerheimstätten über Konzepte eines industrialisierten „sozialen Wohnungsbaus“ innerhalb weniger Jahre zu einer Realität, die von einem umfassenden Baracken-, Lager-und Ruinenelend gekennzeichnet war? Die Nationalsozialisten übernahmen 1933 das Erbe einer konservativen Wende in der Wohnungspolitik. Der gemeinnützige Reformwohnungsbau der 1920er-Jahre war bereits 1930 in der Weltwirtschaftskrise beendet worden. Die großsprecherischen Ankündigungen einer „neuen Baukultur“ und die Beteuerungen, nach denen der Wohnungsbau in der Sozialpolitik als „Problem Nr. 1“ (Gregor Strasser) behandelt werde sollte, weckten große Erwartungen – doch diese wurden enttäuscht: In einer ersten „Konsolidierungsphase“ des NS-Regimes bis etwa 1935/36 wurde der Wohnungsbau den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen untergeordnet, danach dem Westwallbau und der Aufrüstung. So bestand die praktische Wohnungspolitik zunächst in der Fortführung der aus der Weimarer Republik überkommenen Programme, für die das Reichsarbeitsministerium zuständig war. Mit der „Gleichschaltung“ der Beamtenschaft, der Verbände und Wohnungsunternehmen und der Durchsetzung eines zunehmend judenfeindlichen Mietrechts wurde die Wohnungsbaupolitik ideologisch und praktisch in die Exklusionspolitik des NS-Systems eingebettet. Von Anfang an begann sich zugleich die für die NS-Zeit charakteristische Durchdringung und Überlagerung von Staats-und Parteiämtern herauszubilden. Zahlreiche Parteigrößen und -gliederungen entwickelten je eigene Vorstellungen über das Wohnungs-und Siedlungswesen und versuchten, diese durchzusetzen. Die praktische Bilanz der NS-Wohnungs-und Siedlungspolitik war infolge der Angriffskriege in jeder Hinsicht desaströs. Die Propagandavision von einer integrierenden „Volksgemeinschaft“ hatte sich für die „Volksgenossen“ allenfalls in ersten Gemeinschaftssiedlungen realisiert, während der soziale Wohnungsbau der Zukunft Versprechung geblieben war. Stattdessen prägten bei Kriegsende Ruinen, Lager und Barackenbauten das Gesicht Deutschlands.
Bearbeitet von Tilman Harlander unter Verwendung der Forschungsergebnisse von Sylvia Necker; Michael Haben; Christoph Bernhardt, Harald Bodenschatz, Kerstin Thieler und Malte Thießen