Partei- und Staatsarchitektur
Der gesellschaftlichen Aufgabe der Architektur war im „Dritten Reich“ ein herausragender Stellenwert zugewiesen. Ihre Allgegenwärtigkeit machte sie zu einem der propagandistisch wirksamsten Instrumente der nationalistischen Massenmanipulation. Als Gestalterin der Kulissen des öffentlichen Raumes stellte sie den ordnenden und disziplinierenden Rahmen her, der dem Nationalsozialismus zur permanenten Macht- und Herrschaftsinszenierung notwendig erschien. Architektur bildete das dialektische Pendant zu den Marschblöcken der beschworenen „Volksgemeinschaft“ und vermittelte die leibhafte Erfahrung der autoritären Staatsgewalt. Sie war entsprechend dieser Aufgabenstellung nicht sozial ausgerichtet, sondern übte gesellschaftliche Kontrolle aus. Auf keinem Feld des Bauens war das politisch-ideologische Selbstverständnis des Nationalsozialismus dabei so unmittelbar greifbar und eindeutig nachvollziehbar wie bei den obsessiv auf Repräsentation und emotionale Überwältigung ausgerichteten Bauten von Staat und Partei.
Ihre Entwicklung ist im Wesentlichen in vier Phasen zu unterteilen, die von jeweils unterschiedlichen Bedeutungsinhalten sowie architektonischen Ausdrucksformen gekennzeichnet sind. Die erste Phase umfasst die „Kampfzeit“ der späten 1920er Jahre bis zur Konsolidierung der Macht 1933. Ihr folgt die Phase zwischen 1934 und 1936, die von der Suche und Herausbildung eines formalen Repertoires geprägt war, das für die Versinnbildlichung des zukünftigen Reiches dienstbar gemacht werden konnte. Der dritte Zeitraum erstreckt sich von 1937 bis 1942. Er ist untrennbar mit den hypertrophen „Neugestaltungsplanungen“ verbunden, die den Herrschaftsanspruch des NS-Staates vor allem durch monströse Größe zu vergegenständlichen suchten. Die letzte Phase von 1943 bis 1945 wird schließlich vom „totalen Krieg“ bestimmt. Baracken, Bunker und Trümmer bildeten nunmehr die Relikte des im Untergang begriffenen „Tausendjährigen Reiches“.
Bearbeitet von Wolfgang Schäche unter Verwendung der Forschungsergebnisse von André Deschan; Paul Sigel; Benedikt Goebel und Jörg Rudolph; Rainer Schmitz und Johanna Söhnigen