45 Jahre Trisha Brown Dance Company Entwicklungen und Wirkungen

Gespräch

Die Choreografin Trisha Brown (geb. 1936 in Aberdeen, USA) gehört zu den Leitfiguren der amerikanischen Post Modern Dance Bewegung. Mit ihrer 1970 gegründeten Trisha Brown Dance Company hat sie international mehrere Tänzergenerationen beeinflusst und wurde auch innerhalb des Kunstkontextes rezipiert. 1976 präsentierte Trisha Brown in der Akademie der Künste zum ersten Mal ein Programm in Berlin, das Publikum und Presse mit seiner radikalen Haltung noch sehr irritierte. Ihre nächsten Auftritte auf der Bühne der Akademie am Hanseatenweg, 1984 und 1986, waren großartige Erfolge, denen immer wieder Einladungen nach Berlin folgten.
Mit Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes ist es nun gelungen, die Company ein letztes Mal in die Stadt zu holen, bevor sie ihr Bühnenrepertoire Ende 2015 aufgibt. Gezeigt werden Schlüsselwerke wie „Solo Olos“ (1976), „Son of Gone Fishin´“ (1981) und einige der „Early Works“, aber auch „Rogues“ (2011) und eine von der Akademie koproduzierte Rekonstruktion von „Present Tense“ (2003), die in Berlin Premiere haben wird. Im Rahmenprogramm gibt es Masterclasses, eine Gesprächsrunde und Videos im Foyer.
Das Gastspiel 39 Jahre nach dem ersten Auftritt Trisha Browns in Berlin verweist auf die wichtige Rolle der Akademie der Künste bei der Durchsetzung des amerikanischen Post Modern Dance in Deutschland. Nele Hertling, künstlerische Leiterin der Gastspielwoche, hat als Mitarbeiterin der Akademie in den 1970er und 1980er Jahren, als langjährige Theater- und Festivalleiterin und nun als Vize-Präsidentin der Akademie der Künste jahrzehntelang die Kompanie aktiv begleitet und gefördert. Die Begegnung mit Bühnenwerken aus einem Zeitraum von knapp 30 Jahren, die Diskussion der Entwicklung und der Wirkungen der Kompanie in einer Gesprächsrunde am 24. April sowie Masterclasses für professionelle Tänzer verbinden sich zu einem Programm der Rückschau auf Meilensteine der Tanzgeschichte und des Blicks auf die Zukunft einer Tanzsprache.

„Pure Movement“, reine Bewegung, ist eine Bewegung, die keinen Sinn transportiert. Sie ist weder funktional noch pantomimisch Ich nutze reine Bewegung als eine Art Aufschlüsselung der Fähigkeiten des Körpers. Ich verwende auch eigentümliche, persönliche Gesten, die für mich eine bestimmte Bedeutung haben, anderen aber abstrakt erscheinen mögen. Zum Beispiel mache ich eine Alltagsgeste, sodass das Publikum nicht weiß, ob ich noch tanze oder nicht. Oder ich spiele mit den Bewegungen, indem ich Reime oder Echos auf vorangegangene Bewegungen an späterer Stelle mit anderen Körperteilen bilde, möglicherweise auch mit einer gewissen Verzerrung. Ich drehe Phrasen um, lasse sie rückwärts laufen oder deute eine Handlung an, die dann unvollständig bleibt oder komplett übertrieben wird. Auch kündige ich Bewegungen nicht im Voraus mit Übergängen an und baue daher auf nichts auf. Wenn ich etwas aufbaue, schließe ich vielleicht mit einem weiteren Aufbau. Wenn Sie mich für eine Maurerin mit Sinn für Humor halten, fangen Sie an, mein Werk zu verstehen.
Trisha Brown über Solo Olos“


Unter „Early Works“ sind Arbeiten von Trisha Brown zusammengefasst, die zwischen 1968 und 1975 entstanden sind. Ursprünglich geschaffen für alltägliche oder ungewöhnliche Orte, wie Lofts oder Kunstgalerien, aber auch für Außenräume, verwischen diese rigorosen, gleichwohl spielerischen Stücke die Grenzen zwischen Tanz und Installationskunst. Wesentlich für diese Arbeiten von Trisha Brown ist ihre Nutzung von Architektur, bis hin zu Wänden und Hausfassaden. Es sind Werke, die vom Fallen handeln und seinem Gegenteil sowie von allem dazwischen. Sie versuchen zugleich, dem Zuschauer ein eigenes Verständnis von Raum und Bewegung zu vermitteln. Mit ihren „Early Works“ veränderte Trisha Brown, neben gleichgesinnten Künstlern wie vor allem Yvonne Rainer, Simone Forti und Steve Paxton, den modernen Tanz für immer.
Nele Hertling über die „Early Works“

Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes



 
    


Freitag, 24.4.2015

18 Uhr

Hanseatenweg

Clubraum

Gespräch mit Renate Graziadei (Kollektiv laborgras), Nele Hertling, Reinhild Hoffmann und Carolyn Lucas (TBDC).

€ 5/3. Vorverkauf ab 16.3. Es gilt die Tanzcard

Kartenreservierung

Tel.: (030) 200 57-1000
E-Mail: ticket@adk.de
Dokumentation

Wiederbegegnung mit dem Werk Trisha Browns

Das Abschiednehmen begann bei der Trisha Brown Dance Company im Jahr 2013. Damals übergab die 1936 geborene Tänzerin, Choreographin und Bildende Künstlerin Trisha Brown die Leitung ihrer 1970 gegründeten New Yorker Company aus gesundheitlichen Gründen an ihre beiden langjährigen Assistentinnen Carolyn Lucas und Diane Madden. Diese planten letzte Tourneen  mit dem nun abgeschlossenen Bühnenwerk Trisha Browns, beschlossen aber auch noch die Rekonstruktion eines wichtigen Stückes und entwickelten eine Idee,  die Bewegungssprache Trisha Browns, einer der Leitfiguren des amerikanischen postmodernen Tanzes, lebendig zu erhalten: in dem Format In Plain Site (etwa: am einfachen Ort) werden die kurzen, ohnehin nicht für die Bühne konzipierten Early Works, aber auch eigenständige Teile aus großen Choreographien weiterhin ortsspezifisch kombiniert und aufgeführt. Das Bühnenrepertoire aber wird Ende 2015 aufgegeben.

Als einzigem Ort in Deutschland war die Trisha Brown Dance Company von 22. bis 26. April nun in Berlin und in der Akademie der Künste zu Gast und wurde für ihr Bühnenprogramm, das zentrale Werke wie Solo Olos (1976), Son of Gone Fishin‘ (1981), aber auch das Duett  Rogues (2011) sowie die von der Akademie koproduzierte Rekonstruktion von PRESENT TENSE (2003) enthielt, an drei Abenden begeistert gefeiert. An einem vierten Vorstellungstag zeigten die sieben Tänzer Cecily Campbell, Marc Crousillat, Olsi Gjeci, Leah Ives, Tara Lorenzen, Jamie Scott und Stuart Shugg  gemeinsam mit Carolyn Lucas als Gasttänzerin  an verschiedenen Orten am Hanseatenweg zweimal acht Early Works: meisterliche Miniaturen,  in denen die Grundformen, die Philosophie und der ganze Humor der Brownschen Tanzsprache  enthalten sind.  Im Rahmenprogramm gab es außerdem Master Classes für Berliner Tanzprofis, eine Video Lounge im Foyer  sowie ein Gespräch zwischen Nele Hertling, Reinhild Hoffmann, Carolyn Lucas sowie der Berliner Tänzerin und Choreographin  Renate Graziadei, die gemeinsam mit ihrem Partner Arthur Stäldi im (soeben mit dem Kunstpreis der Sektion Darstellende Kunst ausgezeichneten) Kollektiv laborgras wichtige Impulse des amerikanischen postmodernen Tanzes festhält und entwickelt.

Möglich wurde diese beglückende Wiederbegegnung mit dem Werk Trisha Browns finanziell durch die Unterstützung der Kulturstiftung des Bundes, inhaltlich jedoch durch die jahrzehntelange persönliche Verbindung  Nele Hertlings mit Trisha Brown. Sie war es, die die Company - damals als Mitarbeiterin der Akademie - bereits 1976 und in den folgenden Jahren erneut nach Berlin eingeladen und sie damit in Deutschland durchgesetzt hat.
(Petra Kohse)

Gastspiel in der Akademie der Künste, April 2015. Fotos Dirk Bleicker

1. „Spanish Dance“ (1973) aus den „Early Works“ auf dem Dachgarten
2. „Scallops“ (1973) aus den „Early Works“ im Eingangsfoyer
3. „PRESENT TENSE“ (2003, Rekonstruktion 2014)
4. „Rogues“ (2011)
5. „Solo Olos“ (1976)
6. „Son of Gone Fishin´“ (1981)
7. Gespräch zwischen (von links) Renate Graziadei, Reinhild Hoffmann, Carolyn Lucas und Nele Hertling