Schwindel der Wirklichkeit Gespräch mit Christina von Braun und Jutta Brückner

Gespräch

Geld und Körper.
Die Unsichtbarwerdung des Geldes und das Verschwinden des menschlichen Körpers – das fiktive Geld und der Cyborg
Seit seiner Entstehung hat Geld einen immer höheren Abstraktionsgrad erreicht und ein System geschaffen, von dem niemand heute noch behaupten kann, dass er es versteht. Die gesamte Geldwirtschaft scheint auf einem Nichts aus vielen Nullen zu basieren, denn in der Ökonomie gibt es einen breiten Konsens darüber, dass das Geld keiner Deckung mehr bedarf. Wirklich? Christina von Braun hat in ihrer Kulturgeschichte des Geldes gezeigt, dass auch das virtualisierte Geld durch den menschlichen Körper ‚gedeckt’ wird, denn nach dem Fortfall der alten Deckungen Gold, Grundbesitz und Macht des Souveräns wird die theologische Basis des Geldes, der sakrale Opfertausch, wieder sichtbar. Geld, Opfer und Körper bilden ein Dreieck.
In dem Gespräch wird es um den Zusammenhang zwischen der Abstraktion des Geldes und der fortschreitenden Virtualität des Körpers in der digitalen Gesellschaft gehen. Was geschieht mit dem Körper und damit dem Menschen, wenn der nächste Schritt getan wird: die völlige Abschaffung des Bargeldes, wie es schon in Holland und Schweden versucht wird?
Vortrag und Gespräch mit Christina von Braun (Kulturwissenschaftlerin und Autorin ). Gesprächspartnerin: Jutta Brückner, Filmemacherin und Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst

Christina von Braun
Kulturtheoretikerin, Autorin und Filmemacherin. Professorin für Kulturtheorie mit dem Schwerpunkt Geschlecht und Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Seit den 70er Jahren bewegt sich Christina von Braun in ihrem Schaffen zwischen den Künsten und der Wissenschaft, was bereits in ihren ersten Filmen, die in Frankreich entstanden sind, zum Ausdruck kommt. Zeitgleich beginnt ihre akademische Tätigkeit, seit 1981 auch in Deutschland und seit 1994 mit einer Professur an der Humboldt-Universität zu Berlin im Fach Kulturwissenschaft, von 1996 bis 1998 ist sie Dekanin der Philosophischen Fakultutät. 1997 gründet und leitet sie bis 2002 den Studiengang Gender Studies.
Ihr Gesamtwerk umfasst bis heute annähernd fünfzig Filmdokumentationen und -essays zu kulturhistorischen Themen, zwanzig Bücher (u.a. „Versuch über den Schwindel - Religion, Schrift, Bild, Geschlecht“ 2001, „Nicht ich. Logik, Lüge, Libido“ 2009, „Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte“ 2012) und zahlreiche Aufsätze. Ein Großteil der Arbeiten behandeln Geschlechterfragen, religionsgeschichtliche Themen (insbesondere das Verhältnis von Christentum und Judentum) sowie das Wechselverhältnis von Medien- und Mentalitätsgeschichte (u. a. Alphabet, Geld und Körpergeschichte).
2013 erhält Christina von Braun den Sigmund Freud Kulturpreis, der von der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung an Nicht-Analytiker vergeben wird, die psychoanalytische Theorien auf kulturelle Phänomene anwenden.

Jutta Brückner
Regisseurin (Film, Funk und Fernsehen), Autorin (Hörspiele, Essays, Theatertexte) und Produzentin ihrer eigenen Filme.
Studium der Politischen Wissenschaften, Geschichte und Philosophie in Köln, Berlin, Paris und München. 1973 Promotion. Seit 1972 Arbeit als Drehbuchautorin, seit 1975 auch Regisseurin und Produzentin. Bücher, Hörspiele, Essays. Filme u.a. „Hungerjahre“ (1980), „Ein Blick und die Liebe bricht aus“ (1986), „Bertolt Brecht - Liebe, Revolution und andere gefährliche Sachen“ (1998), „Hitlerkantate“ (2005).
Von 1986 bis 2006 Professorin für narrativen Film an der Universität der Künste, Berlin. Seit 1991 Mitglied der Akademie der Künste, seit 2009 Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst. Mitglied in zahlreichen Filmjurys, Beiräten, in der Produktionsförderung des BKM, im Rundfunkrat des RBB und im Programmbeirat von ARTE.

Vorbereitungsbüro
Für ein Jahr widmet sich die Akademie der Künste dem Thema „Schwindel der Wirklichkeit“.
Kaum eine Frage ist in den Künsten so systematisch verhandelt worden wie die nach der Konstruktion und Dekonstruktion von Wirklichkeit. Vor allem durch die Entwicklung neuer Medien wie der Fotografie, dem Film, dem Video und den interaktiven Möglichkeiten der digitalen Welt wurde die Rolle des Bildes, des Schauspielers oder Tänzers, von Text und Musik in Bezug auf Wahrheit, Identität und Realität radikal verändert. Die Künste erscheinen gleichsam als Labor einer kritischen und kreativen Auseinandersetzung des Verhältnisses von Subjekt und Wirklichkeit, von Individuum und gesellschaftlicher, politischer oder ökonomischer Behauptung von Realität.
Der Schwerpunkt startet mit einem „Vorbereitungsbüro“, einer Serie von Veranstaltungen und Debatten, jeweils mittwochs um 17 Uhr, und mündet im Herbst 2014 in eine große Ausstellung.

http://www.schwindelderwirklichkeit.de


Mittwoch, 27.11.2013

17 Uhr

Hanseatenweg

Studiofoyer