„Gustav Peichl. Die Zeichnung ist die Sprache der Architekten“

Archiveröffnung

Der in Wien beheimatete Architekt Gustav Peichl, der seit 1984 Mitglied der Akademie der Künste ist, hat dem Baukunstarchiv die Dokumente zu seinen für Deutschland entwickelten Bauprojekten übergeben.
1928 in Wien geboren, begann er 1943 ein Architekturstudium an der Staatsgewerbeschule in Wien und beendete es 1953 an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit 1954 sind seine politischen Karikaturen unter dem Pseudonym „Ironimus“ weltweit bekannt.

Anlässlich der Eröffnung des Gustav-Peichl-Archivs erscheint ein Katalog, in dem Handzeichnungen des Architekten zu den deutschen Bauprojekten zusammengefasst sind, die zwischen 1978 und 1999 entstanden. Darunter sind die Bundeskunsthalle in Bonn, Bauten für die Internationale Bauausstellung in Berlin sowie der Kindergarten für Bundesbedienstete im Berliner Regierungsviertel.

> Publikation

Dienstag, 28.5.2013

19 Uhr

Pariser Platz

Plenarsaal

Archiveröffnung und Buchvorstellung.
Mit Gustav Peichl (Vortrag), Wolfgang Trautwein (Begrüßung), Eva-Maria Barkhofen (zu Archiv und Buch) und Karla Kowalski.

€ 5/3
Dokumentation

Begrüßung: Dr. Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs

Verehrter Prof. Peichl, meine Damen und Herrn,

ich begrüße unter uns auch seine Exzellenz, den Botschafter der Republik Österreich, Herrn Dr.  Scheide.
heute eröffnet die Akademie der Künste das Gustav-Peichl-Archiv. Wenn ich richtig gezählt haben, ist es der 1200ste Einzelbestand, den unser Archiv betreut. Das ist schon eine besondere Zahl – und es ist ein besonderer Bestand. Für die großzügige Archivschenkung dankt die Akademie der Künste ihrem langjährigen Mitglied Gustav Peichl mit einer Publikation. Die Leiterin unseres Baukunstarchivs Frau Dr. Barkhofen wird sie gleich vorstellen. Die Laudatorin des Abends ist unser Akademiemitglied Prof. Karla Szyskowicz-Kowalski, eine zeichnende Architektin wie Peichl. Wir haben Sie selbst bereits für unser Archiv gewonnen, und sie war uns eine Fürsprecherin. Ich bin ihr also nicht nur wegen der Laudatio zu Dank verpflichtet.  Der Höhepunkt und Abschluß unserer Eröffnung aber ist: der Bestandsbildner selbst  -  als Lesender.  Auch dem eingefleischteste  Archivar ist, was die Attraktivität betrifft, klar: Was ist das Gustav-Peichl-Archiv im Vergleich zum quicklebendigen Gustav Peichl? 

Damit sind die Rollen und Themen des Abends bereits verteilt. Was bleibt also dem Archivdirektor, bevor er das Pult räumt? Erst einmal die nachgetragene akademieöffentliche Gratulation zum 85. Geburtstag, den Gustav Peichl am 18. März beging. Und dann der Hinweis, dass es sich bei diesem besonderen Archivprojekt um ein internationales Unterfangen handelt. Denn die österreichischen Projekte bleiben im Lande; das hiesige Archiv umfaßt  Peichls Projekte für und in Deutschland; die deutschen und österreichischen Findmittel werden noch ausgetauscht.

Der Österreicher Peichl gibt dabei – das sei angemerkt - uns Deutschen die Gelegenheit, auf verschiedenen Feldern zu lernen; durch meine österreichische Frau bin ich für derlei schon sensibilisiert. Der Archivar z. B. lernt die schwere Lektion: man muß nicht immer alles haben. Sollten wir uns aufs Feld der Politik begeben, wäre eine bereits gehabte Lektion zu erinnern: lieber keine Heimholung, kein Anschluß, sondern freundliche Zweistaatlichkeit. Dem preußischen Prinzipienfreund schließlich sei ein Blick in unser Pressearchiv empfohlen, z. B.  auf einen „Wiener Beitrag für den Berliner Schloßplatz“, so der Untertitel von Peichls Text „Ein Bauwerk der bewegten deutschen Geschichte“. Ganz im Sinne eines anderen unserer Bestandsbildner– Zitat „Es geht auch anders, aber so geht es auch“,  Bertolt Brecht - entwickelte Peichl im Jahr 2000 die Idee, man könne im Rahmen moderner Architektur eine Lösung finden, in der sich sowohl das Hohenzollernschloß  als auch der Palast der Republik wiederfinden. Gleichfalls im Jahr 2000, als die Akademie gerade heroisch für ihre Glasfassade am Pariser Platz stritt, löckte Peichl wider das Ausschließlichkeits-Syndrom beider Seiten, der „Loch-Fetischisten“ wie der „Glas-Equilibristen“ und ihrer „sogenannten Glasnost-Architektur“. 
„Eigenartig ist die Tatsache, dass es niemandem einfällt, dass es in der Glasarchitektur gute und schlechte Beispiele gibt, ebenso wie es in der Steinarchitektur gute und schlechte Ergebnisse gibt.“

Engagement ohne Dogmatismus, die Fähigkeit, die Welt von verschiedenen Seiten zu betrachten: was für freundliche Lernangebote liefert uns das Gustav-Peichl-Archiv gleich mit. Und dies alles zusammen mit vorzüglicher Architektur und schönem Wetter. Ja, schauen Sie einmal die im Buch abgebildeten, leicht von unten skizzierten Ansichten, genauer an. Nahezu alle diese Blätter zieren - meist sind es zwei - kleine Schönwetterwölkchen. Ich glaube nicht, dass ein deutscher Architekt auf die Idee käme, den freundlich gesinnten Himmel gleich mit zu entwerfen.

Auf dem Feld der Politik dürfen wir die Lektion wiederholen: lieber kein Anschluß, sondern Zweistaatlichkeit. Der Archivar lernt die schwere Lektion: man muß nicht alles haben. Und dem preußischen Prinzipienfreund sei ein Blick in unser Pressearchiv auf  „Ein(en) Wiener Beitrag für den Berliner Schloßplatz“, so der Untertitel von Peichls Beitrag „Ein Bauwerk der bewegten deutschen Geschichte“ empfohlen. Da kam unser geschätzter Bestandsbildner im Jahr 2000 doch tatsächlich auf die Idee, man könne eine architektonische Lösung finden, in dem sich sowohl das Hohenzollenschloß  als auch der Palast der Republik wiederfinden. Und ebenfalls im Jahr 2000, als die Akademie heroisch für ihre transparente Glasfassade am Pariser Platz streitet, beschreibt Peichl das Ausschließlichkeits-Syndrom auf beiden Seiten, der Loch-Fetischisten wie der Glas-Equilibristen und deren „sogenannter Glasnost-Architektur“. Zitat: „Eigenartig ist die Tatsache, dass es niemandem einfällt, dass es in der Glasarchitektur gute und schlechte Beispiele gibt, ebenso wie es in der Steinarchitektur gute und schlechte Ergebnisse gibt.“  Engagement  ohne Prinzipienreiterei, was für eine freundliche Lernaufgabe liefert uns das Peichl-Archiv gleich mit. Und all das unter einem optimistischen Schönwetterhimmel. Ich empfehle besonders die im Buch abgebildeten, leicht von unten skizzierten Seitenansichten, zur Ansicht. Diese zieren eine, meist zwei kleine Schönwetterwölkchen. Kennen Sie etwa einen deutschen Architekten, der einen freundlich gesinnten Himmel in seine Entwürfe einbezieht?

Publikation

Gustav Peichl. Die Zeichnung ist die Sprache der Architekten Eva-Maria Barkhofen im Auftrag der AdK (Hg.) · AdK, Archiv, Berlin 2013 · diverse Farb- u. s/w-Abb., 104 S. · ISBN 978-3-88331-200-2, Best.-Nr. 2063 · 20,00 €
Unter den Handzeichnungen von Gustav Peichl, die dieser Katalog seiner deutschen Bauprojekte enthält und die der Architekt zwischen 1978 und 1999 entwarf, sind Zeichnungen für die Bundeskunsthalle in Bonn, den Erweiterungsbau des Städel Museums in Frankfurt am Main und die Kindertagesstätte des Deutschen Bundestages im Berliner Spreebogen. Gustav Peichl – seit Jahrzehnten auch Karikaturist und als »Ironimus« international bekannt – ist ein leidenschaftlicher Zeichner. 

Fotos
Gustav Peichl (mitte) im Foyer des Plenarsaals, Eva-Maria Barkhofen stellt das Archiv und die Publikation vor, Gustav Peichl liest und berichtet, Blick in den Saal
Fotos Hans-Jörg Schirmbeck