Kultur:Stadt
Musik in der Wolke
Klanginstallationen von Peter Ablinger und Christina Kubisch
Hörraum:Atmosphären mit ausgewählten Arbeiten des ZKM-Wettbewerbs
Musik in der Wolke
Hat die Musik sich in eine Wolke verzogen, von wo aus sie uns überall hin verfolgt? Sie scheint zu jeder Zeit aus der cloud verfügbar zu sein. Im Kontext der Ausstellung Kultur:Stadt offeriert das Projekt Musik in der Wolke ein vielseitiges Spektrum dessen, wie Klang und urbaner Raum heute künstlerisch interagieren können. Das Programm stellt Kompositionen vor, die speziell für selbstorganisierte Berliner Kulturorte entstanden und über Smartphones nur dort zu empfangen sind. In der Akademie der Künste am Hanseatenweg kann in Klanginstallationen und einem Hörraum zum Thema Atmosphären die Stadt aus der Perspektive des Ohres erkundet werden. Zwei Konzertabende thematisieren bestimmte Orte und deren Aura in besonderer Weise, erweitert durch Vorträge und Gespräche mit Experten und Künstlern.
© Peter Ablinger
Peter Ablinger
„weiss / weisslich 29 / 2 Stunden, 12 Tage, 36 Stühle“ Hörstück (2013)
tgl. wechselnde Orte in der Umgebung der AdK
Mein Material ist nicht der Klang.
Mein Material ist Hörbarkeit.
So wie andere die mit Klang arbeiten
etwa einen Klang setzen dann eine Pause
setze ich Hörbarkeit dann Unhörbarkeit.
WEISS WEISSLICH 29 / 2 Stunden, 12 Tage, 36 Stühle besteht aus 36 Stühlen, die in Reihen aufgestellt werden, um ein Auditorium zu bilden: Eine Einladung zum Hören. An 12 Tagen im Mai 2013 stehen die 36 Stühle 2 Stunden täglich an wechselnden Orten und Zeiten an der Akademie der Künste Berlin am Hanseatenweg und in fußläufigen Umgebungen. (Peter Ablinger)
Umgebungskarte der Akademie der Künste mit den Standorten der Stühle und dem Datum ihrer Zeiten und Orte
Peter Ablinger
„weiss / weisslich 36, Kopfhörer“ (1999)
Kopfhörer-Ausgabe im Foyer
Das Stück Weiss/Weisslich 36, Kopfhörer handelt davon, dass es unterschiedliche Arten gibt, die Welt um uns herum zu bemerken. Insbesondere natürlich von zwei Arten: Mit oder ohne Kopfhörer.
Mit Kopfhörer hören wir in erster Linie. Ohne Kopfhörer sind wir eher die typisch menschliche Mischung aus hören, sehen, riechen, denken und reden, Hunger und kalte Füße haben, und den anschließenden Termin oder notwendigen Einkauf nicht vergessen wollen. …
Aber der Unterschied liegt nicht nur in der Reduktion auf das Akustische, gleichzeitig nämlich findet eine grundsätzliche Umwertung des Akustischen statt. Alle Klänge und Geräusche sind plötzlich gleichbedeutend. …
Was passiert da genau?
Die Membran zur akustischen Außenwelt - die normalerweise das Ohr ist - sitzt nun 10 cm höher als üblich. Die Form der Ohrmuschel, die die eingehenden Signale auf ihre räumliche Ortung hin überprüft, ist ersetzt durch ein neutrales Kugelmikrofon - bzw. zwei Mikrofone: eins links, eins rechts. Ohne die individuelle Form unseres äußeren Ohres aber, bleibt daher zwar die Unterscheidung von links und rechts erhalten, es geht aber - wie beim typischen Stereo-Klang - der Unterschied zwischen oben und unten verloren. Zusätzlich reduziert sich, auf Grund der begrenzten Qualität der Mikrofone, die Raumtiefe. Das Hören wird also flacher. Und wie schon bei der Schnecke, die wir ans Ohr halten, ist es auch hier so, dass diese Einschränkungen nicht dazu führen, dass wir weniger hören, sondern im Gegenteil. Es ist wie bei der Fotografie: Dieselbe Ansicht, fotografiert, macht uns Dinge bewusst, die wir in tatsächlicher Gegenwart des Motivs übersehen. …
(Peter Ablinger)
Peter Ablinger
1959 in Schwanenstadt/Österreich geboren, zunächst Grafik-Studium in Linz, später Jazz-Klavier und Komposition in Graz bzw. Wien. In Berlin, wo er seit 1982 lebt, leitete er verschiedene Festivals, darunter die Insel Musik, unterrichtete, gründete 1988 das Ensemble Zwischentöne und war Mitbegründer des Verlags ZEITVERTRIEB WIEN BERLIN. Einladungen zu Gastprofessuren, Studienaufenthalten und Vorträgen, Aufführungen bei wichtigen Festivals zeitgenössischer Musik wie Wien Modern, Donaueschinger Musiktage, Holland Festival Amsterdam, Biennale in Venedig, Carnegie Hall New York. Ausgezeichnet u.a. mit dem Preis der österreichischen Gesellschaft für elektronische Musik, Andrzej-Dobrowolski-Kompositionspreis, Deutscher Klangkunstpreis.
Mehr zu Peter Ablinger
© Christina Kubisch
Christina Kubisch
„Zwölf Klänge und ein Baum“ (1994/2013)
Klanginstallation im unteren Innenhof
Seit Beginn der 1990er Jahre experimentiert Christina Kubisch mit der Umwandlung von Solarenergie in Klang. Die von Solarzellen erzeugte elektrische Energie wird an selbst entwickelte elektronische Steuermodule geleitet, die wiederum mit Lautsprechern verbunden sind. Je nach Lichtintensität erzeugen diese Module verschiedenartige Klänge, die sich ständig verändern.
Die Installationen wurden in Parks, Gärten, in botanischen Gewächshäusern, an Gebäuden oder auch in der freien Natur realisiert. In einigen Arbeiten wird auch ein Außenraum mit einem Innenraum verbunden.
Die Klänge folgen dem Rhythmus der Natur, richten sich nach den verschiedenen Tages- und Nachtzeiten, Licht und Schatten, der Wetterlage. Manchmal klingen sie wie Vögel, manchmal wie Insekten, manchmal auch wie Handys. Licht wird hörbar. Natur und Technik verbinden sich miteinander. Es kommt durchaus vor, dass im Laufe der Zeit die realen Vögel, die sich in der Nähe der Solarinstallation aufhalten, die Klänge imitieren und mit ihren elektronischen Partnern in einen akustischen Dialog treten.
Christina Kubisch:
Die 1948 in Bremen geborene Komponistin und Klangkünstlerin trat schon früh mit Projekten im Schnittfeld von Bildender Kunst, Medien und Musik in Erscheinung. In den 1970er Jahren waren es vor allem genderkritische Video-Performances, gefolgt seit Beginn der 1980er Jahre von raumbezogenen Klanginstallationen mit magnetischer Induktion und anderen meist selbstentwickelten audiovisuellen Mitteln. Seit den 1980er Jahren bezieht Christina Kubisch auch Licht und Materialstrukturen in ihre Arbeiten ein, die in ihren oft großformatigen Installationen visuelle und akustische Elemente zu einer neuen Einheit verbinden. Nach Studien- und Lehraufenthalten in Deutschland, der Schweiz und Italien sowie Gastprofessuren u.a. in Holland und Frankreich lebt sie seit 1986 in Berlin. Sie ist dort Mitglied der Akademie der Künste. Seit Jahren experimentiert sie erfolgreich mit Klangspaziergängen im öffentlichen Raum, wobei sie das Publikum mit speziellen elektromagnetischen Kopfhörern zu einer bisher unbekannten Art der Wahrnehmung der Alltagswelt einlädt. Ein weiterer Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Stille. Christina Kubisch lehrt seit 1994 als Professorin für „Audiovisuelle Kunst" an der Hochschule der Bildenden Künste Saar in Saarbrücken, wo sie mittlerweile eine neue, junge Generation von vielseitigen Medienkünstlern herangebildet hat.
Hörraum:Atmosphären
Studio Foyer
Gestaltung: raumlabor berlin, Jan Liesegang
Atmosphären - ZKM Wettbewerbsstücke
In einer gemeinsam vom ZKM|Karlsruhe und der Akademie der Künste durchgeführten internationalen Ausschreibung wurden Künstler aufgerufen, Atmosphäre darstellende akusmatische Kompositionen oder Miniaturen einzusenden. Dabei konnte es sich um Field-Recordings, synthetische, konkrete, aber auch städtische Klänge handeln. Die Vorgaben ließen den Künstlern einen großen Freiraum, um ihre Vorstellungen zu diesem Thema zu artikulieren. Eine Jury wählte die im Hörraum präsentierten Werke aus 61 internationalen Einsendungen aus, die auch in einer Veranstaltung des ZKM dem Publikum zu Gehör gebracht werden. (Ludger Brümmer)
Listening Space:Atmospheres
Foyer Studio
Design: raumlabor berlin, Jan Liesegang
An international competition organized by the ZKM|Karlsruhe together with the Akademie der Künste invited artists to submit acousmatic compositions or miniatures on the theme of atmospheres. Submissions could include field recordings, and synthetic, concrete, as well as urban sounds. Under the guidelines artists were given great freedom to articulate their ideas on this theme. The works selected by the jury out of 61 international applications are presented to the public in the exhibition’s listening space, and can also be heard in a further event organized by ZKM|Karlsruhe. (Ludger Brümmer)