Konrad-Wolf-Preis 2011 an Béla Tarr
Die Jury, der in diesem Jahr die Akademie-Mitglieder Ulrich Gregor, Reinhard Hauff und Jeanine Meerapfel angehören, ehrt den ungarischen Filmregisseur Béla Tarr für sein Werk. Er habe, so die Begründung der Jury, „seit den 80er Jahren ein Werk großer Geschlossenheit und Konsequenz geschaffen, das seismografisch auf die Erfahrungen und Lebensbedingungen der Menschen in unserer Zeit reagiert. Er hat durch seine Bildgestaltung und Erzähltechnik einen filmischen Stil großer Dichte entwickelt, der in der heutigen Welt-Kinematografie einzigartig ist. Seine Filme sind Herausforderungen an den Zuschauer. Sie zwingen zum Nachdenken. Sie führen den Zuschauer in eine eigene Welt und besitzen eine radikale, zugleich visionäre Qualität.“
Einem größeren Publikum bekannt wurde Béla Tarr (geb. 1955) mit dem Film “Sátántangó” (1990-1994). Sein aktueller Film “Das Turiner Pferd”, der anlässlich der Preisverleihung gezeigt wird, wurde im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale uraufgeführt.
Film
Á Torinói Ló / Das Turiner Pferd
Regie: Béla Tarr, Buch: László Krasznahorkai, Béla Tarr, Kamera: Fred Kelemen, Ungarn 2010, 146 Minuten, ungarische Originalfassung deutsch untertitelt.
1889. In Turin zeigt Nietzsche Empathie für ein gefoltertes Pferd, ehe er seinen Verstand verliert. Irgendwo auf dem Lande, bewältigen ein Bauer und seine Tochter den Alltag mit ihrem Pferd. Draußen weht ein Wind, als wäre es das Ende der Welt.
Der Film ist die nach eigenen Angaben letzte Kinoarbeit des ungarischen Autorenfilmers Béla Tarr, zu der er mit seinem langjährigen Koautor, dem Schriftsteller László Krasznahorkai, das Drehbuch verfasste. Auch dieses Werk ist Tarrs "remodernistischem Kino" verpflichtet, das danach strebt, den Rhythmus des Lebens in Realzeit einzufangen und so ein geschärftes Bewusstsein für den Moment zu schaffen.
Béla Tarr, geboren 1955 in Pécs, studierte an der Budapester Akademie für Theater- und Filmkunst. 1981 war er Gründungsmitglied des Filmstudios Tarsula. Seit 1990 ist Béla Tarr Gastdozent an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin. Er debütierte 1977 mit „Family Nest“ und wurde mit „Kárhozat / Verdammnis“ 1987 weltbekannt. Es folgten der legendäre, über siebenstündige Film „Sátántangó“ (1994), „Werckmeister Harmóniák“ (2000) und „A londoni férfi / The Man from London“ (2007). Das stille Drama „A Torinói Ló“ (2011), das in diesem Jahr im Wettbewerb der Berlinale zu sehen war, ist sein jüngster Film.
Benannt nach dem Filmregisseur und langjährigen Präsidenten der Akademie der Künste der DDR, wird der mit 5.000 Euro dotierte Konrad-Wolf-Preis jährlich für herausragende künstlerische Leistungen auf den Gebieten der darstellenden Kunst sowie der Film- und Medienkunst vergeben. Die Preisträger der letzten Jahre waren Abbas Kiarostami (2003), Lars von Trier (2004), Andres Veiel (2005), Wolfgang Engel (2006), Edgar Reitz (2007), Simon McBurney (2008), Avi Mograbi (2009) und Alvis Hermanis (2010).