Stalker – Film und Ausnahmezustand
Als Andrei Tarkowskis Spielfilm Stalker vor 40 Jahren seine Premiere erlebte, löste er mit seinen visionären Zügen, vor allem in Bezug auf die dystopische Grundstimmung, sowie seiner ästhetischen Radikalität nachhaltige Erschütterungen aus.
Das Symposium untersucht verschiedene Ebenen des Films aus literatur-, kunst- und filmwissenschaftlicher sowie aus medienkünstlerischer Perspektive und lädt Künstlerinnen und Künstler aus Ost und West zum Gespräch, die ihre persönlichen Beziehungen zum Werk und auch zum Autor vorstellen werden.
Programm
Freitag, 26.4.2019
17 Uhr, Studiofoyer
Begrüßung:
Ulrich Gregor (Filmhistoriker, Berlin) und Jule Reuter (Kunstwissenschaftlerin, Berlin/Halle)
Vortrag:
Norbert Franz (Slawist, Berlin): Tarkowskis Stalker und die sowjetische Science Fiction
Die Kosmos-Begeisterung erreichte Ende der 1950-er Jahre auch das Kino, das nach der Stagnation der Stalin-Jahre quantitativ wie qualitativ wachsen sollte. Eine günstige Zeit für Andrei Tarkowski, den Behörden einen SF-Film zu versprechen, diesen aber als „poetischen Film“ zu gestalten. Ideologisch nicht harmlos war bereits die längere Erzählung der Brüder Strugacki Picknick am Wegesrand aus der das Drehbuch zu Stalker entstand. Der Vortrag zeigt, wie Tarkowski die typischen SF-Elemente reduziert und das Phantastische in der Natur (Physis) verortet und ins Metaphysische transponiert, ohne pathetisch zu werden. Er erzieht sich seinen Zuschauer, dem er lange Einstellungen zumutet und schnelle Sinngebungen verweigert.
Vortrag:
Natascha Drubek (Osteuropaexpertin, Prag/Berlin): Belastete Orte
Natascha Drubek untersucht Stalker als Film, der auf mehreren Ebenen vorführt, wie Filmarbeit zur letalen Zone werden kann. Das betrifft die Produktionsgeschichte wie auch die Biografien von Mitgliedern der Filmcrew und Tarkowski selbst. Ursprünglich wollte Tarkowski den Dostojewski-Roman Der Idiot verfilmen. Stalker ist ein Nachfahre des Außenseiters, der Närrin aus Andrej Rubljow, der kahlgeschorene Häftling, das Opfer genozidaler Verfolgung.
Vortrag:
Jule Reuter: „Wie still es ist! ... Hier ist es so schön. Hier, hier ist ja niemand.“ Zu Landschafts- und Gartenmotiven im Film Stalker
Die Zone ist natürlich kein Garten nach der klassischen Definition. Dennoch gibt es hinterlassene Elemente und Eigenschaften des Topografischen, verknüpft durch die Blick-/Wegeführung, die eine Gartenstimmung imaginieren. Als Landschaft ist die Zone auch eine politische, mit Zeichen der Abwehr und Zerstörung. Beiden Bedeutungsebenen und ihren Verflechtungen geht der Vortrag nach.
Film:
Stalker Material - Making of von Ulrich Polster (Bildender Künstler, Berlin), 2015, mit Arvo Iho, 20 Min., engl. OF
2015 unternahm Ulrich Polster eine Reise zu den Drehorten des Films Stalker von Andrei Tarkowski. Führer dieser Erkundung der Zone war Tarkowskis Locationscout, Standfotograf und Student Arvo Ihu, der die Dreharbeiten zu Stalker begleitete. Während dieser zweitägigen Expedition durch Tallinn und dessen Umland entstand das Making of, dass die Mehrkanalinstallation Stalker Material flankierte.
Gesprächsrunde mit:
Jule Reuter, Norbert Franz, Natascha Drubek, Ulrich Polster und Andrei Plakhov (Filmkritiker, Moskau)
Moderation: Cornelia Klauß
20.30 Uhr, Studio
Filmvorführung: Stalker
Zum Rhythmus der Schienenstöße rollt eine postindustrielle Szenerie vorüber: Fabrikruinen, übergewuchertes Kriegsgerät, von Nebel verhangene Landschaften. Drei Männer, auf einer Lore sitzend, dringen in die „verbotene Zone“ ein. Tarkowski entwickelt einen Kosmos, dessen archaische Bilder sich nachhaltig in die Erinnerung der Zuschauer eingraben. Vielleicht haben diese Bilder schon lange dort gelegen und nur auf den Film gewartet?
UdSSR 1979, 163 min, DCP, OmU, Regie: Andrei Tarkowski, Buch: Arkadi und Boris Strugazki, Kamera: Alexander Knjaschinski, mit Alexander Kaidanowski, Anatoli Solonizyn, Nikolai Grinko