Vom Tänzer zum Choreographen zum Tänzer – Gerhard Bohner 1936 – 1992
Gerhard Bohners legendäre Choreographien und Soloauftritte werden mit Fotos, handschriftlichen Notizen, Bühnenplänen und anderen Dokumenten anlässlich seines 20. Todestages noch einmal in Erinnerung gerufen.
Das Gerhard-Bohner-Archiv zeigt Arbeiten, die zum größten Teil von der Akademie produziert wurden und am Hanseatenweg ihre Premiere hatten. 1971 schuf er das Handlungsballett „Die Folterungen der Beatrice Cenci“. Bohners Beschäftigung mit Oskar Schlemmer und dem Bauhaus mündete schließlich 1977 in die Rekonstruktion und Neufassung des „Triadischen Balletts“.
Als Solotänzer wird er mit dem 1989 entstandenen Programm „Im (Goldenen) Schnitt“ vorgestellt, das in Zusammenarbeit mit drei Künstlern entstand: der Bildhauerin Vera Röhm (Teil I), dem Plastiker Robert Schad (Teil II) sowie dem Klangkünstler Roland Pfrengle (Fassung 3).
Die wichtigsten Anregungen erhielt der 1936 in Karlsruhe geborene Tänzer und Choreograf Gerhard Bohner am Mary-Wigman-Studio und bei Tatjana Gsovsky im Ballett der Deutschen Oper Berlin. Beeinflusst vom deutschen Ausdruckstanz sowie vom klassischen Tanz, wurde Bohner ein Pionier des deutschen Tanztheaters. Seine erste Choreografie erarbeitete er 1964 in der Berliner Akademie der Künste. Bis 1989 entstanden dort 22 Choreografien. Am Darmstädter Tanztheater war Bohner 1972 – 1975 Chefchoreograf mit eigener Kompanie. In Darmstadt begann Bohners Beschäftigung mit Oskar Schlemmer und die Neuinterpretation seiner Bauhaustänze. Nach einer ersten Phase als freischaffender Choreograf 1975 – 1978 in Berlin leitete er zusammen mit Reinhild Hoffmann 1978 –1981 das Bremer Tanztheater. Bohners Interesse galt der zeitgenössischen Musik und dem Ausprobieren neuer Arbeitsformen. Doch die Theater waren für Bohners Experimente nicht bereit. 1981 kehrte Bohner als freier Tänzer und Choreograf nach Berlin zurück. Er produzierte vorrangig in der Akademie der Künste und am Hebbeltheater, gab Gastspiele im In- und Ausland. Der Verlust der Theateranbindungen zwang Bohner noch einmal, die Seiten zu wechseln - vom Choreografen zum Tänzer. Der Weg zu Bohners großen Soloprogrammen war frei. In seinem ersten Solotanzabend „Schwarz weiß zeigen“ (1983) gelang es Bohner als Darsteller seine Vorstellungen als Choreograf sichtbar zu machen.
1992 starb Bohner in Berlin. Das Archivfenster „Vom Tänzer zum Choreografen zum Tänzer. Gerhard Bohner 1936 – 1992“ aus Anlass seines 20. Todestages widmet sich drei wichtigen Stationen in Bohners Schaffen. Bis zum 12. August werden auf der Brücke am Pariser Platz handschriftliche Notate, Fotos, Programme sowie Materialien aus Stücken wie „Die Folterungen der Beatrice Cenci“, „Triadisches Ballett“ und zu Bohner als Solotänzer gezeigt.
Bohner widmete seine 1971 uraufgeführte Choreografie „Die Folterungen der Beatrice Cenci“ Tatjana Gsovsky. Das Handlungsballett entstand in direkter Zusammenarbeit mit dem Komponisten Gerald Humel. Das war neu und ungewöhnlich. Der Prozess der Beatrice Cenci aus dem Jahr 1598 interessierte Bohner auch in Bezug auf das Zeitgeschehen. „Beatrice Cenci“ fand großen Publikumszuspruch und wurde eines seiner erfolgreichsten Stücke. Er studierte es u.a. in München, Darmstadt und Bremen erneut ein. 1973/74 belegte „Beatrice Cenci“ mit 46 Aufführungen Rang fünf in der deutschen Spielplanstatistik.
Auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten reifte bei Bohner die Idee, Schlemmers „Triadisches Ballett“ zu rekonstruieren. In Oskar Schlemmers „Triadischem Ballett“ sah Bohner eine Art Gegenentwurf zum freien Tanz. Er investierte viel Zeit und Energie in die Rekonstruktion und Neufassung. Die Uraufführung mit der Musik von Hans-Joachim Hespos fand 1977 in der Akademie der Künste Berlin statt. Die Reaktion der Kritiker auf die Uraufführung 1977 in der Akademie der Künste war überwiegend negativ, anders reagierte das Publikum, das nicht nur der Uraufführung starken Beifall spendete. Nach vier Aufführungen in der Akademie erlebte das „Triadische Ballett“ bis 1989 im In- und Ausland 81 Aufführungen.
Die dritte Teil der Vitrinenpräsentation widmet sich Bohner als Solotänzer. 1989 kamen „Im (Goldenen) Schnitt I – III“ heraus. Alle drei Teile entstanden in enger Zusammenarbeit mit drei bildenden Künstlern, die sich unabhängig voneinander mit der Frage an Bohner gewandt hatten, ob er nicht in ihren Installationen auftreten wolle. Es handelte sich um die Darmstädter Bildhauerin Vera Röhm,den Freiburger Plastiker Robert Schad sowie den Komponisten und Klangkünstler Roland Pfrengle. Für Bohner brachten diese Soloarbeiten – neben dem präzisen Gehen – Erfahrungen mit der Dreidimensionalität von Skulpturen.
Auf dem Terminal sind eine Dokumentation von Cosima Santoro, die sich intensiv mit Bohner und seinen Arbeiten befasst hat, zu sehen sowie Aufzeichnungen von „Die Folterungen der Beatrice Cenci“ und „Im (Goldenen) Schnitt I.“
Renate Rätz, Berlin 2012