"Verliebt in die deutsche Sprache". Die Odyssee des Edgar Hilsenrath Wanderausstellung der Akademie der Künste in der Kreisbibliothek Eutin
"Ich habe mich in sie verliebt, als ich neun war, damals in Polen. Ich wurde von ihr getrennt, aber ich bin ihr treu geblieben, ein Leben lang." In dem noch unpublizierten Roman "Berlin … Endstation" läßt der Schriftsteller Edgar Hilsenrath (geb. 1926) sein Alter ego Joseph Leschinsky von einer Geliebten schwärmen, der deutschen Sprache, zu der er nach den Irrfahrten des Lebens zurückkehren würde. Hilsenrath, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, hat selbst eine Odyssee hinter sich. Emigriert nach Rumänien, deportiert in ein Ghetto in der Ukraine, überlebte er den Holocaust, wanderte nach Palästina aus, ging 1951 in die USA, bis er Ende 1975 nach Berlin kam. Die deutsche Sprache hatte er wie einen Schatz gehütet. Seine ersten Bücher, der Roman "Nacht" und die bitterböse Satire "Der Nazi & der Friseur", wurden gleichwohl zunächst auf englisch erfolgreich. Zu viele Tabus verzögerten die Aufnahme in Deutschland. Inzwischen ist Edgar Hilsenrath ein mehrfach preisgekrönter Autor; sein literarisches Archiv befindet sich in der Berliner Akademie der Künste.
Aus dem ca. 50.000 Blatt umfassenden Edgar-Hilsenrath-Archiv haben Helmut Braun und Mitarbeiter des Literaturarchivs der Akademie, Manuskripte, Briefe, Fotos und Rezensionen ausgewählt. Darunter sind viele bisher unbekannte und unveröffentlichte Materialien, zum Beispiel frühe autobiographische Aufzeichnungen aus dem Ghetto, in Palästina 1945 geschriebene Texte, die schon thematische Bezüge zu seinem ersten, umstrittenen, Roman "Nacht" (1964) aufweisen, eine Fassung des wohl berühmtesten Hilsenrath-Buches "Der Nazi & der Friseur" in Briefform. Gezeigt werden zahlreiche Fotos - von Familienbildern aus der Bukowina über Aufnahmen aus Palästina und Frankreich, Schnappschüssen von der Überfahrt nach Amerika auf demselben Schiff wie Rita Hayworth bis zu Fotoserien des in Deutschland etablierten Autors. Briefe von Max Brod und Jakov Lind geben Einblicke in die Phase der Selbstfindung des jungen Hilsenrath. Dokumente zur Verlagspolitik und Pressestimmen beleuchten die kontroverse Rezeption des Autors in Deutschland.
Die Wanderausstellung würdigt einen großen Schriftsteller, der den Katastrophen des letzten Jahrhunderts literarische Gestalt gegeben hat.