6.1.2013, 19 Uhr
Akademie der Künste trauert um Thomas Holtzmann
„Thomas Holtzmann entdeckte in seinen tragischen Rollen immer wieder auch einen ganz eigenen unerhörten Witz, seine Komödien-Rollen wurden durch seine Darstellung existentiell. Körperspieler, Geisteskopf, Stimmvirtuose – mit großer Neugier und Lässigkeit zugleich übte er seinen Beruf aus. Er war Vorbild für viele seiner jüngeren Kollegen. Wir verneigen uns in Traurigkeit“, so Ulrich Matthes, Direktor der Sektion Darstellende Kunst, zum Tod von Thomas Holtzmann, der am 4. Januar in München gestorben ist.
Thomas Holtzmann (geb. am 1. April 1927 in München) studierte zunächst Theaterwissenschaft bei Arthur Kutscher, nahm privaten Schauspielunterricht und debütierte 1949 am Ateliertheater München. In ersten Engagements in Schleswig, Nürnberg oder Köln spielte er schon in jungen Jahren sofort große Rollen wie Shakespeares Coriolanus oder Schillers Don Carlos. Ende der 50er Jahre ging er zu Boleslaw Barlog ans Westberliner Schillertheater, wo er u.a. neben Marianne Hoppe, Klaus Kammer und Hermine Körner in Inszenierungen von Barlog, Fritz Kortner oder Hans Lietzau zu einem bedeutenden deutschen Charakterdarsteller wurde.
Auch der Film entdeckte damals den auffallend groß gewachsenen Schauspieler mit der markanten Stimme; die Rolle des legendären Spions Richard Sorge in der französischen Produktion „Wer sind Sie, Dr. Sorge?“ (1961) von Yves Ciampi machte ihn international bekannt.
Doch Thomas Holtzmann blieb vor allem ein Theaterkünstler. Mit Fritz Kortner arbeitete er immer wieder, zumeist in München; er ging zu Hans Lietzau ans Deutsche Schauspielhaus Hamburg ins Engagement und kam 1977 fest an die Münchner Kammerspiele. Dieses Ensemble, das 2001 gemeinsam mit seinem Intendanten Dieter Dorn ans Residenztheater wechselte, blieb seine Heimat. Holtzmann, der 1978 Mitglied der Akademie der Künste wurde, spielte die großen Rollen der Weltdramatik – manche, wie den Faust, gar hunderte Male – und galt als genuiner Klassikerdarsteller. Dabei war er auch für neue Dramatik aufgeschlossen, brillierte in Stücken von Edward Albee, Jean Anouilh, Samuel Beckett, Bernard-Marie Koltès oder Botho Strauß und interessierte sich Zeit seines Lebens für starke Regiezugriffe.
1989 sagte er in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Regietheater auf hohem Niveau kann etwas ganz Wunderbares sein und vielleicht das einzige, was uns im Theater rettet.“ Und: „Es fehlt uns an Autoren auf eine ganz fürchterliche Art. Die heutige Produktion ist flau und impotent, und das ist für das Theater gefährlich.“
Im Februar 2010 stand Thomas Holtzmann gemeinsam mit seiner Frau Gustl Halenke zum letzten Mal auf der Bühne, im Residenztheater natürlich, für eine Lesung aus den Tagebüchern von Leo und Sofja Tolstoi.
Klaus Staeck
Präsident der Akademie der Künste