Musik – Mitglieder

Alfred Schnittke

Komponist

Am 24. November 1934 in Engels/UdSSR geboren,
gestorben am 3. August 1998 in Hamburg.
Von 1981 bis 1993 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (West), Sektion Musik.
Von 1986 bis 1993 Korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste, Berlin (Ost), Sektion Musik.
Von 1993 bis 1998 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin, Sektion Musik.

Nachruf

Alfred Schnittke wurde 1934 in Engels geboren, der Hauptstadt der damaligen Wolgadeutschen Republik. Obwohl er sich als Kind bereits der Musik widmete, begann seine Ausbildung - kriegsbedingt - erst 1946 in Wien, wo sein Vater, ein in Frankfurt am Main geborener jüdischer Journalist, zeitweilig arbeitete. Seit 1948 wieder in Moskau, lernte er Chordirigieren und unternahm erste Kompositionsversuche. Schließlich erfolgte das Studium der Komposition am Moskauer Konservatorium. Hindemith, Schostakowitsch, Strawinski und Orff waren zunächst seine Vorbilder. Wesentliche Anregungen erhielt er dann durch den in Moskau lebenden Filip Herschkowitz, einen Webern-Schüler.
Zunächst in dieser Tradition stehend, hob sich Schnittkes Schaffen aber schon bald von den Modellen der 2. Wiener Schule ab. In seiner 1. Sinfonie (1972) war die für ihn später so charakteristische Polystilistik bereits angelegt. Eine bescheidene Anstellung als Lehrer für Instrumentation am Moskauer Konservatorium sicherte ihm in diesen Jahren die Existenz. Fast überflüssig zu sagen, daß er sich mit seinem Werk in Opposition zur offiziellen Kulturpolitik befand. Immerhin waren die Zeiten physischer Gewalt gegen unangepaßte Intellektuelle im Wesentlichen vorbei. Ab Mitte der 60er Jahre konnte Alfred Schnittke ins Ausland reisen, zunächst nach Polen und in die DDR – bei diesen Gelegenheiten lernte ich ihn ein wenig kennen. Er sprach leise und war froh, daß "alles nicht noch schlimmer" war, was immer man darunter verstehen wollte, und ich verstand ihn sehr gut. Bald wurden Schnittkes Werke auch im westlichen Ausland gespielt, und seinem Erfolg mußte sich die Kulturbürokratie beugen - er durfte nun auch in den Westen reisen.
Große repräsentative Konzerte und Preisverleihungen, Mitgliedschaften in europäischen Kunstakademien, so auch 1981 in der Berliner Akademie der Künste, dokumentierten weiterhin seinen Rang und festigten seine Position im Westen. Mitten in dieser Erfolgsserie ereilte ihn 1985 ein erster Gehirnschlag, von dem er sich indessen erholte, so daß er 1989 eine Fellowship am Berliner Wissenschaftskolleg annehmen konnte. 1990 trat er, wieder im Vollbesitz seiner Kräfte, eine Professur an der Hamburger Musikhochschule an, allein es folgte 1991 ein zweiter Schlaganfall. Etwas Unglaubliches geschah nun - seine Produktivität wuchs noch einmal in einer für alle unfaßbaren Weise an. In den knappen drei ihm verbliebenen Jahren bis zu einem erneuten Gehirnschlag schrieb er drei Opern, darunter das sehr erfolgreiche Werk, Leben mit einem Idioten, drei Sinfonien, acht weitere Orchesterwerke, Chöre sowie eine Anzahl von Werken geringeren Umfangs. Auch noch bis zum letzten tödlichen Anfall versuchte er mit größter Willensanstrengung weiter zu arbeiten.
Der Tonfall seines Spätwerkes ist tiefernst oder sogar resignativ, in einer an die Spätromantik anknüpfenden Stilistik mit Fremd- und Eigenzitaten durchsetzt. Der Umfang des Gesamtwerkes ist enorm. Er umfaßt von Arbeiten für Film und Theater über Musik nahezu alle Genres bis zu theoretischen Arbeiten hauptsächlich zum Thema Polystilistik.
Wir haben mit dem Tod von Alfred Schnittke ein bedeutendes Mitglied verloren.

Georg Katzer