2.12.2021, 09 Uhr

Zwischen Tradition und Moderne

Die Neugründung der Akademie der Künste in West-Berlin

Mit dem Anspruch, die Tradition der Preußischen Akademie der Künste fortzusetzen, trat die West-Berliner Akademie der Künste ein belastetes Erbe an. Während der NS-Zeit hatte sich die Preußische Akademie rasch dem Regime unterworfen und ihre kulturpolitische Bedeutung verloren. 41 ihrer Mitglieder wurden aufgrund ihrer politischen Einstellung oder ihrer jüdischen Herkunft wegen ausgeschlossen oder zum Austritt gezwungen. Das Akademie-Gebäude am Pariser Platz, ab 1937 Sitz der Generalbauinspektion Albert Speers, wurde in den letzten Kriegstagen weitgehend zerstört.

Ab Mai 1945 bemühten sich Mitglieder der Preußischen Akademie der Künste um den bisherigen Vizepräsidenten Georg Schumann, die Institution zu reaktivieren. Ihnen standen mit Karl Hofer Kräfte gegenüber, die für eine Entnazifizierung der Akademie eintraten. Als der Erste Ständige Sekretär Alexander von Amersdorffer, der die Bestrebungen koordiniert hatte, 1946 plötzlich verstarb und in der Folgezeit die Spaltung Berlins voranschritt, stockte die Initiative. Sie belebte sich erst wieder, als sich im Ostteil die Deutsche Akademie der Künste konstituierte. Die West-Berliner Politik sprach der Ost-Akademie das Recht ab, die Tradition der Preußischen Akademie fortzuführen, und forderte alle ehemaligen Mitglieder auf, sich nicht an dieser Einrichtung zu beteiligen. 1949 berief die Berliner Stadtverwaltung den Vorbereitenden Ausschuss zur Wiederbegründung der früheren Preußischen Akademie, der sich mit dem Entwurf einer Satzung befasste und über geeignete Mitglieder austauschte. Die noch 1946 erhobene Forderung nach einer gesamtdeutschen Akademie wurde nicht mehr aufrechterhalten. Auch ließen die bereits bestehenden Akademien in Darmstadt, Hamburg, Mainz und München keinen Platz für eine bundesrepublikanische Repräsentanz.

Am 2. Dezember 1954 beschloss das West-Berliner Abgeordnetenhaus das Gesetz über die Akademie der Künste. Erstmals in der Geschichte der Akademie entschied ein demokratisch legitimiertes Gremium über Organisation, Binnenstruktur und Aufgaben der Künstlersozietät. Das Gesetz formulierte den Anspruch auf Fortsetzung der Tradition der Preußischen Akademie und betonte die Autonomie der Akademie gegenüber dem Staat. Weiterhin wurde der Auftrag verankert, „die Kunst auf allen Gebieten zu fördern und vor der Öffentlichkeit zu vertreten sowie den Staat in wichtigen Fragen der Kunst zu beraten“. Die Abteilungen für Baukunst und für Darstellende Kunst wurden neu eingerichtet. Der offizielle Name lautete: Akademie der Künste, Sitz Berlin. Als Arbeitsort diente eine Villa in der Dahlemer Musäusstraße. Die erste Präsidentschaft übernahm der Architekt Hans Scharoun, der die Akademie aufgrund der politischen Lage als eine „Antithese zur Ostakademie“ definierte.

In der Frage, wie mit ehemaligen Mitgliedern der NSDAP und den in das NS-System verstrickten Künstlern umzugehen sei, kam es unter der Leitung des Senators für Volksbildung Joachim Tiburtius zu einem Kompromiss. Zu den 53 Gründungsmitgliedern, die Tiburtius in einem einmaligen Hoheitsakt zur ersten vorbereitenden Mitgliederversammlung am 28. Oktober 1955 berief, gehörten mit dem Komponisten Max Trapp zwar ein überzeugtes ehemaliges NSDAP-Mitglied, aber auch die Emigranten Ludwig Berger, Ferdinand Bruckner, Ernst May und Hans Purrmann. Da die Mitgliedschaft an die deutsche Staatsangehörigkeit geknüpft war, wurden Emigranten wie der in Istanbul lebende Architekt Martin Wagner nicht als Gründungsmitglieder akzeptiert. Dennoch bemühte sich der erste Generalsekretär Herbert von Buttlar mit großem Engagement um die Rückkehr emigrierter Künstlerinnen und Künstler.

Mitglieder und Präsident bestimmten unabhängig von staatlichen Weisungen das Profil der Akademie und leiteten den Aufbruch und die Neuausrichtung in die Moderne ein. Durch den von Henry Reichhold gestifteten Neubau von Werner Düttmann am Hanseatenweg konnte sie ihr engagiertes Kulturprogramm ab 1960 in eigenen Räumen fortsetzen.

 

Ulrike Möhlenbeck

Sitz der Akademie der Künste (West) von 1955 bis 1960 in Berlin-Dahlem, Musäusstraße 8. Foto: unbekannt

Ruine der Preußischen Akademie der Künste am Pariser Platz, 1946, Foto: Karl-Heinz Holzhausen

Gesetz über die Akademie der Künste vom 02. Dezember 1954, Akademie der Künste, Berlin, Archiv. Foto: AdK

Hans Scharoun, erster Präsident der West-Berliner Akademie der Künste, 1957. Foto: SLUB Dresden / Deutsche Fotothek / Fritz Eschen

Joachim Tiburtius, Senator für Volksbildung, mit Barbara Kemp, Akademie der Künste Musäusstraße, 1956, Foto: unbekannt

Empfang für Theodor W. Adorno in der Akademie der Künste Musäusstraße: Theodor W. Adorno (hinten Mitte, 2.v.l.), Margit Scharoun (4.v.l.), Hans Scharoun (5.v.l.), 1957, Foto: unbekannt

Werner Düttmann, Henry H. Reichhold und Hans Scharoun (v.l.) auf der Pressekonferenz anlässlich der Vorstellung des Modells für den Neubau Hanseatenweg, 1958. Foto: Marie-Agnes Gräfin zu Dohna