11.10.2021, 09 Uhr
Ehre und Elend
Künstlerinnen der Neuzeit an der Akademie der Künste
© Akademie der Künste
Künstlerinnen, die vom 16. bis 18. Jahrhundert versuchten, sich in der von Männern dominierten Domäne der Bildenden Kunst durchzusetzen, mussten entdeckt werden, einen Ausbilder finden und von Aufträgen der Adelsfamilien leben können. Bei der Suche nach ihnen stoßen wir deshalb meist auf einzelne Künstlerinnen jener Zeit, die Maler ehelichten und deren Lehrer der Vater oder ein nahestehendes Familienmitglied war, so bei Catarina von Hemessen (1527/28–1583), Anna Dorothea Therbusch (1721–1782) und Angelika Kauffmann (1741–1807). Nur wenigen gelang es, in Akademien aufgenommen zu werden – wie Angelika Kauffmann in die Accademia Clementina in Bologna (1762) und in die Accademia delle Arti del Disegno in Florenz (1762). 1768 gehörte sie mit Mary Moser zu den Gründungmitgliedern der Royal Academy im fortschrittlicheren London. Die Académie royale de peinture et de sculpture in Paris hingegen nahm nur vier Malerinnen zeitgleich auf. So wurden Élisabeth Vigée-Lebrun und Adélaïde Labille-Guiard zusammen 1783 zugelassen. Die Berlinerin Anna Dorothea Therbusch (geb. Lisiewska) gelang nach anfänglicher Ablehnung schließlich 1767 mit dem Gemälde Junger Mann, ein Glas in der Rechten haltend, von einer Kerze beleuchtet die Aufnahme. Als einzige Frau stellte sie auch ihre Gemälde im Salon de Paris von 1767 aus.
In dieser Stimmung des ausgehenden 18. Jahrhunderts und knapp 100 Jahre nach der Gründung der Königlichen Akademie der Künste in Berlin kam die Pastellmalerin Jeanette Nohren (1756 in Brieg/Brzeg, Schlesien/Polen – 1792 in Berlin) 1781 nach Berlin, um dort Schülerin von Daniel Chodowiecki (1726–1801) zu werden. Der Meister kommentierte sogar ihre ausgestellten Arbeiten in einem Brief an Anton Graff am 7. Juli 1791. Nohren gelang als erste Frau die Aufnahme als Ehrenmitglied in die Königliche Akademie der Künste am 11. Oktober 1784 unter Schirmherrschaft von Friedrich Wilhelm II. Im Journal von und für Deutschland (Nr. VI, 1789, S. 315) finden ihre Porträts Erwähnung: „Von der Fr. Hauptmännin von Sydow, recht artige Köpfe nach der Natur, en pastel welche aber an Güte denen, welche Madem. Tassaert verfertigt, noch sehr nachstehen.“ Nach ihrer Heirat mit dem adeligen preußischen Offizier Otto Heinrich von Sydow (1761–1840) zog das Paar nach Breslau und 1792 zurück nach Berlin.
Nach Nohrens Eintritt stellte Suzanne (auch Suzette) Chodowiecki (1763–1819) 1786 erstmals in der Preußischen Akademie der Künste aus. Sie wurde durch ihren Vater Daniel Chodowiecki und Anton Graff ausgebildet und 1789 zum Mitglied der Königlichen Akademie gewählt. Die verheiratete Madame Henry wendete sich nach der Porträtmalerei ab 1800 moralisierenden Genrebildern zu – mit Titeln wie Die gute und die schlechte Erziehung der Tochter oder Die Folgen der glücklichen und unglücklichen Ehe. Es folgten in diesen frühen Akademiezeiten Henriette-Félicité Tassaert (1766–1818) und Friederike Julie Lisiewska (1772–1856), Mitglied und Ehrenmitglied seit 1787 und 1793. Tassaert, nach ihrer Heirat unter dem Pseudonym Madame Robert bekannt, war die Tochter des flämischen Bildhauers Jean-Pierre-Antoine Tassaert (1727–1788), den König Friedrich II. von Preußen 1775 aus Paris nach Berlin gerufen hatte und der Akademie-Mitglied und auch Rektor der Kunstakademie wurde. Zuerst von ihrem Vater unterrichtet, studierte sie später bei Johann Christoph Frisch, Daniel Chodowiecki und Anton Graff. Tassaert malte ebenfalls Brustbilder und Ganzkörperporträts „en pastel“. Friederike Julie Lisiewska entstammte einer in Preußen, Dessau und Mecklenburg angesehenen Künstlerfamilie; ihr Vater war Christoph Friedrich Reinhold Lisiewsky, Hofmaler in Dessau und Ludwigslust. Mit einem gelungenen Porträt ihres Vaters erreichte sie die Aufnahme in die Akademie der Künste.
1860 und 1907 wurden die vorerst letzten weiblichen Ehrenmitglieder in die Akademie aufgenommen: Victoria, Ehefrau des späteren Kaisers Friedrich III. und Auguste Viktoria, Gattin des Kaisers Wilhelm II.
Erst 1918, dem Jahr, in dem Frauen erstmals das Wahlrecht in Deutschland bekamen, diskutierte man die Aufnahme von Frauen in die Königlich Preußische Akademie der Künste erneut. Als Kaiser Wilhelm II. abdankte und die Republik ausgerufen wurde, entschied sich die Institution unter dem Präsidenten Ludwig Manzel für die Einrichtung einer Reformkommission. Max Liebermann, ab 1920 selbst Präsident, schlug 1918 Käthe Kollwitz als Mitglied der Akademie mit Erfolg vor; sie wurde mit 25 männlichen Kollegen am 24. Januar 1919 in die Sektion Bildende aufgenommen und setzte sich auch als Leiterin des Meisterateliers und Senatsmitglied für die Aufnahme von Frauen und deren Teilnahme bei den Ausstellungen ein.
Anke Hervol