2.9.2021, 09 Uhr
Malerische Visionen in Bewegung versetzt
Die Wiederaufführung des Triadischen Balletts von Oskar Schlemmer
© Akademie der Künste
Das Triadische Ballett, 1922 uraufgeführt, ist das aus der Verbindung verschiedener künstlerischer Disziplinen erwachsene Kostümballett, das in einzigartiger Weise tänzerischen Ausdruck aus den Farb-und Formfantasien eines Malers und Plastikers herleitet. Oskar Schlemmer hat sich hier den Traum erfüllt, seine malerischen Visionen in Bewegung zu versetzen. Der Name „Triadisch“ steht für das Ordnungsprinzip, nach dem das Ballett aufgebaut ist als eine „Apotheose der Dreiheit“.
Die Kostüme sind farbige oder metallische raumplastische Gebilde, die durch ihre formale und materielle Eigenart die Aktionen der Tänzer bestimmen.
Von den insgesamt 18 realisierten Kostümen haben nur neun den Zweiten Weltkrieg überstanden, sieben stehen heute in der Staatsgalerie Stuttgart. Mit Hilfe dieser „Museumsstücke“, vorhandener Entwürfe Schlemmers sowie von Fotos und Beschreibungen konnten die Kostüme für die Neufassung 1977 in Zusammenarbeit mit der Kostümbildnerin Ulrike Dietrich originalgetreu rekonstruiert werden.
Der Choreograf und Tänzer Gerhard Bohner (1936–1992), eine der bedeutendsten Künstlerpersönlichkeiten des zeitgenössischen Tanzes in Deutschland, hatte die Auseinandersetzung mit Oskar Schlemmer während seiner Zeit in Darmstadt Anfang der 1970er-Jahre begonnen. Zurück in Berlin erhielt er 1976 von der Akademie der Künste, mit der er Zeit seines Lebens eng verbunden blieb, den Auftrag, das Triadische Ballett zu rekonstruieren. Der Arbeitsprozess begann bei den Kostümen und den erhaltenen Entwürfen in Stuttgart. Doch zur Praxis der Bewegung der Figuren fanden sich fast keine Aufzeichnungen. Bohners Fassung orientierte sich wesentlich an Schlemmers Figurinenplan und er übernahm die Einteilung in eine „Gelbe“, „Rosa“ und „Schwarze Reihe“.
„Die Rekonstruktion war für mich eine Rekonstruktion des Entstehungsprozesses des Stückes. Ich hatte die Vorstellung, wie Schlemmer vorzugehen, ins Studio gehen, sich die Teile um den Körper zu binden, auszuprobieren und so zu finden.“
Doch zugleich reizte ihn die Vorstellung, dass „etwas so Strenges wie das Triadische Ballett eine Art Gegenentwurf zum freien Tanz darstellt. Dass man durch diesen Gegenentwurf über den freien Tanz etwas erfahren könnte“. Es ging dabei auch um eine radikale Erneuerung und eine eigenständige Bedeutung von Tanz neben dem dominierenden Opernballett.
Als Interpreten wählte Bohner klassische Tänzer, doch wandte er sich „gegen die nur mechanische Auffassung dieses Balletts“– „die Kostüme sind dreidimensional und es gibt keinen Grund, die im Profil oder frontal zu choreographieren“. Die Figuren erzählen „in ihren Richtungen und Beziehungen Geschichten“ und „ich habe versucht, den Tänzer wieder in die Mitte zu rücken, wie Schlemmer es sagt, der Mensch im Raum“.
Für die Musik entschied sich Gerhard Bohner – wie schon Schlemmer es gewünscht hatte – für die Vergabe eines eigenen Kompositionsauftrages. Er wählte dafür Hans-Joachim Hespos, mit dem er schon gearbeitet hatte und der selber mit dem Werk Schlemmers vertraut war.
Nach der Premiere 1977 erlebte diese Produktion der Akademie der Künste bis 1989 eine ganz ungewöhnliche Serie von 85 Aufführungen an 32 Stationen in aller Welt, sie wurde beendet nach rechtlichen Problemen mit der Familie Schlemmer.
2014 konnte Gerhard Bohners Fassung in Kooperation zwischen dem Bayerischen Staatsballett und der Akademie der Künste neu produziert werden. Auch diese Produktion ist seitdem an zahlreichen Orten mit großem Erfolg unterwegs. Wir hoffen auf die Möglichkeit, 100 Jahre nach der Uraufführung 1922 und 45 Jahre nach der Premiere 1977 dieses ungewöhnliche Kunstwerk auch in der Akademie noch einmal präsentieren zu können.
Nele Hertling