20.8.2021, 09 Uhr
Der Brand des Marstalls in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1743
© Akademie der Künste
„Die Akademie soll so lange in den ihr angewiesenen Räumen auf dem Stall in der Dorotheenstadt bleiben, bis ihr eine andere Gelegenheit angewiesen werden kann“, beschließt Friedrich I. bald nach Gründung der Institution 1696. Als Provisorium in Bestlage Unter den Linden wird der Akademie als erste Unterkunft das Obergeschoss des zu diesem Zwecke nach Entwürfen vom Johann Arnold Nering aufgestockten kurfürstlich-brandenburgischen, später königlich-preußischen Marstalls zugewiesen. Auch wenn der Kurfürst die neuen Räumlichkeiten als „ansehnlichen und bequemen Ort“ preist, die Begeisterung über den Standort von Seiten der Direktoren, Professoren sowie ihrer Schüler hält sich in Grenzen. Nichtsdestotrotz verstetigt sich das Provisorium; von einem Umzug ist bald nicht mehr die Rede.
Mit insgesamt sechs Versammlungs- und Unterrichtsräumen ist der der Akademie zugewiesene Platz eng bemessen. Der Zeichensaal ist während des Unterrichts gut gefüllt, Ateliers und Büros gibt es zu wenige und die herausragende Gipsabgusssammlung kann nur gedrängt, auf rollbaren Plateaus, aufgestellt werden. Weitere Räume im Obergeschoss werden der Akademie der Wissenschaften zugewiesen, die bald nach ihrer Gründung noch eine Sternwarte anbaut.
Eine besondere Herausforderung stellen die rund 200 Pferde dar, die in den Stallungen zu ebener Erde untergebracht sind. Sie sorgen für eine wohl wenig ansprechende Lärm- und Geruchskulisse und veranlassen den Präsidenten der Akademie der Wissenschaften Gottfried Wilhelm Leibniz zu dem treffenden Spott, das Gebäude sei „musis et mulis“ [Musen und Maultieren] gewidmet.
Das Futterheu der Pferde ist vermutlich der Auslöser eines katastrophalen Brands, der in der Nacht vom 20. auf den 21. August 1743 ausbricht und das Akademiegebäude komplett zerstört. Menschen kommen nicht zu Schaden, aber die gesamten Kunstsammlungen der Akademie, darunter viele Werke, die im Unterricht eingesetzt werden – neben den wertvollen Gipsabgüssen auch Gemälde, Zeichnungen und Kupferstiche sowie das gesamte Inventar und die Archivalien – fallen den Flammen zum Opfer. Die Ruine bleibt über Jahrzehnte stehen, erst 1770 kann die Akademie in den unter der Leitung von Johann Boumann wiederaufgebauten Marstall zurückkehren. Derweil findet der Unterricht behelfsweise in Privaträumen der Professoren statt; parallel wird mit sehr begrenzten finanziellen Mitteln versucht, erneut eine Kunstsammlung aufzubauen. Viele Werke sind unersetzbar, einige Lücken können bis heute nicht gefüllt werden.
Dem zivilen Ungehorsam des Sekretärs Johann Friedrich Annisius sen. ist es indes zu verdanken, dass zumindest einige Dokumente zur frühen Akademiegeschichte das Inferno überlebten. Unbeachtet hatte er einen Teil der Archivalien wohl mit ins „Homeoffice“ genommen. Erst 1813 wurden diese wertvollen Unterlagen der Akademie von seinem Sohn zurückgegeben.
Anna Schultz