28.5.2021, 09 Uhr
Nur acht Monate: Theodor Fontanes Gastspiel an der Königlichen Akademie der Künste
© Akademie der Künste
Es war ein kleiner Affront: Vom preußischen König zum Akademie-Sekretär ernannt, reichte Theodor Fontane nach nur wenigen Wochen am 28. Mai 1876 seine Kündigung ein. Als Diener zweier Herren war der Schriftsteller zwischen die Fronten geraten.
Und dabei war alles gut angelaufen: Nachdem der lukrative Posten durch den Tod Otto Friedrich Gruppes im Januar 1876 vakant geworden war, ließ Fontanes Freund, der Direktor der Berliner Bauakademie Richard Lucae, seine Kontakte spielen. Lucaes Empfehlungsschreiben an den Akademiepräsidenten Friedrich Hitzig und das Kultusministerium führten dazu, dass Fontane ohne einschlägige Berufserfahrung zwei Monate später „zum ersten ständigen Sekretair der Königlichen Akademie der Künste“ ernannt wurde (Minister Adalbert Falk). Für den 56-jährigen Journalisten, der in prekären Verhältnissen lebte, bedeutete das Amt ein sozialer Aufstieg. Fontane hatte sich zwar mit den Wanderungen durch die Mark Brandenburg und seinen Kriegsbüchern einen Namen gemacht, die Honorare waren jedoch überschaubar. Und als Theaterkritiker der Vossischen Zeitung verfügte er nur über ein bescheidenes Einkommen. Die neue Stelle im höheren Staatsdienst mit einem Jahreseinkommen von 2400 Talern und Anspruch auf eine Beamtenpension versprach für den Familienvater endlich die ersehnte finanzielle Absicherung.
Fontanes Amtsantritt entpuppte sich allerdings als herbe Enttäuschung. Mit seiner Vereidigung am 11. März 1876, die in der Presse prominent bekanntgegeben wurde, erklärte er sich wider Willen bereit, die ersten sieben Wochen ohne Gehalt zu arbeiten. Die Akademie befand sich zudem in einem Reformprozess, der für den neuen Sekretär unangenehme Folgen hatte. Laut „Provisorischem Statut“ gliederte sie sich seit 1875 in zwei Bereiche: „in den beratend repräsentativen Senat und die Mitgliedschaft sowie in eine Anzahl ausübender Unterrichts-Anstalten“. Die wichtigste personelle Änderung war die Einrichtung des Präsidentenamtes. Fontane ahnte, dass er „in eine ziemlich arge Fehde werde hineingestellt werden“. Denn er wurde zwei Vorgesetzten zugeordnet: dem Akademiepräsidenten und Architekten Hitzig, dem er „zur Seite“ stehen sollte, und dem Direktor der Akademie für die bildenden Künste. Der junge und erfolgreiche Historienmaler Anton von Werner war gegen den Widerstand Hitzigs ernannt worden und verstand ebenso wenig „von Aktenwesen, vom Registratur- und Bureaudienst“ wie Fontane (Werner). Hinzu kam, dass sich Fontane in die Rolle eines persönlichen Referenten Anton von Werners gedrängt sah.
Ein weiteres Problem war, dass mehr organisatorische als gestalterische Kompetenz gefragt war. Dem leitenden Sekretär oblag die Geschäftsführung der Verwaltung; als Schriftführer war er Mitglied des Senats. Fontane kümmerte sich um Personalangelegenheiten, das Haushalts- und Kassenwesen sowie um die Bibliotheksverwaltung, Gebäudesanierung und Baumaßnahmen. Befasst war er zudem mit der Organisation von Kunstausstellungen, mit der Unterstützung von angehenden Künstlern und Preisverleihungen. Ihm unterstanden zwar weitere Beamte, die allerdings krankheitsbedingt für mehrere Wochen ausfielen.
Der Konflikt eskalierte, als Fontane die Einstellung eines Privatsekretärs für Werner forderte. Auf der Senatssitzung am 27. Mai 1876 wurde in Abwesenheit Hitzigs beschlossen, dass eine weitere verbeamtete Sekretärsstelle zu beantragen sei. Hitzig fühlte sich von Fontane hintergangen, warf ihm „Zweideutigkeit“ vor und meinte, dass es ja schon einen Sekretär für Werner gäbe: Fontane. Daraufhin reichte dieser am 28. Mai seine Kündigung beim Kultusminister ein. In einem Begleitbrief an Falk distanzierte sich Fontane ausdrücklich von Hitzigs Vorwurf, der einem Vertrauensbruch gleichkam: „Das Thatsächliche ist einfach das, daß ich nicht zweideutig bin, sondern die in ihrem Dualismus genugsam bekannten Verhältnisse, in die ich hineingestellt wurde.“ In einem zweiten, an den König gerichteten Kündigungsschreiben musste er sich den Anweisungen des Ministers beugen, den eigentlichen Grund zu verschweigen und „alle Schuld“ auf sich zu nehmen (Fontane). Der Ruf der Akademie stand auf dem Spiel, denn schließlich hatte sich ihr Präsident persönlich für Fontane eingesetzt, obwohl der König zunächst Bedenken im Hinblick auf dessen Eignung geäußert hatte.
Die Monate bis zur Entlassung am 31. Oktober 1876 waren voller Spannungen. Hinzu kam, dass Fontane seinen Entschluss zu kündigen ohne Absprache mit seiner Ehefrau gefasst hatte, was zu einer großen Ehekrise führte. Dennoch kam Fontane seinen beruflichen Pflichten nach und trug den Jahresbericht anlässlich des Königsgeburtstags am 3. August 1876 vor.
Eine letzte Demütigung erfuhr er, als er das Gehalt für November und Dezember wieder zurückzahlen musste. Am Ende seines Lebens, inzwischen zum bedeutendsten deutschen Romancier seiner Zeit avanciert, resümierte Fontane in seiner Autobiografie Von Zwanzig bis Dreißig bitter: „Es war so ziemlich meine schlechteste Lebenszeit.“
Gabriele Radecke