Radio Zukunft. Tage der Audiokunst
7. März: Medienpolitischer Tag
8. März: Tag des Produzenten
9. März: Tag des Rezipienten
10. März: Schnittmuster der Wirklichkeit
Vorträge und Diskussionen sind nachzuhören auf
Das Internetportral Litradio.net begleitete "Radio Zukunft" mit Berichten, Gesprächen und stellt die Beiträge zum Nachhören zur Verfügung.
100 Jahre nach den ersten Feldfunk-Versuchen und 90 Jahre nach dem ersten Hörspiel im Äther beschäftigt sich Radio Zukunft im Zeitalter der flächendeckenden Breitband-Verkabelung mit der Zukunft des akustischen Erzählens.
Das Radio und die akustische Kunst insbesondere befinden sich in ihrer dramatischsten Umbruchsphase, seit im Jahr 1924 das erste Hörspiel gesendet worden ist. Was auf den ersten Blick wie eine beschleunigte technologische Revolution anmutet, erweist sich bei tieferer Betrachtung als grundlegender Wandel der gesamten Produktions- und Rezeptionsbedingungen. Während die Gattung ‚Hörspiel’ vielleicht nur noch überleben kann, indem sie zur bedrohten Art erklärt wird, entstehen gleichzeitig auf digitalen und analogen Nebenschauplätzen wundersame neue, höchst lebendige Formen und Erzählweisen.
Vier Tage Radio Zukunft in der Akademie der Künste sind ein Innehalten im Sog des beschleunigten Medienwandels, eine Bestandsaufnahme des Umbruchs, in dem sich die akustischen Erzählformen befinden. Sie sind ein Forum für die Demonstration neuester Technik und Produktion, sie sind wissenschaftliches Symposium und Künstlerwerkstatt, mit Live-Performances und Audio-Lounge. Eingeladen sind Künstler, Theoretiker, Techniker, Autoren, Komponisten, Produzenten, Kulturwissenschaftler, Verlagslektoren und Philosophen, darunter Sighard Neckel, Golo Föllmer und Dieter Dörr. Sie formulieren ihr Bild vom Radio der Zukunft: „My Vision of Radio“
Den Auftakt bildet am Donnerstag, den 7. März, ein kulturpolitisches Forum zur Situation der auditiven Kunstformen Hörspiel, Feature und ars acustica. Wie kann die Kunst des Radios als eine ursprünglich nicht-kommerzielle Kunst heute angesichts der neuen Verwertungsformate der Medienindustrie überleben? Wie sieht ein Kulturradio der Zukunft aus und wie steht es um das kulturelle Erbe von acht Jahrzehnten Rundfunkgeschichte? Experten der nationalen und internationalen Medienlandschaft werden den politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Kontext definieren, in dem sich die Audiokunst aktuell bewegt und die Konfliktlinien des digitalen Wandels herausarbeiten.
Die folgenden beiden Tage, Freitag und Sonnabend, 8./9. März, widmen sich den Umbauprozessen, denen die Produzenten und Rezipienten unterliegen. Wie reagieren Künstler, Regisseure, Autoren und Komponisten auf die neuesten Techniken und Erzählformate: von der Smartphone-App über SoundCloud, die trimediale Stoffentwicklung bis hin zur Mehrkanaltechnik und Wellenfeldsynthese. Welche neuen akustischen Erzählweisen entstehen? Das Hören ereignet sich in völlig neuen Zusammenhängen. Welche Auswirkungen hat die globale Medientransformation auf die menschliche Wahrnehmung?
Der letzte Tag (Sonntag, 10. März) fokussiert unter dem Titel „Schnittmuster der Wirklichkeit“ auf die Technik der Weltwahrnehmung in der Wissenschaft und den Künsten und wird kuratiert und organisiert von der Hans-Flesch-Gesellschaft.
Im Abendprogramm stellen die Reihen Nostalghia und Sound Stage herausragende Produktionen der Vergangenheit und Gegenwart vor und bieten dem Publikum ausreichend Gelegenheit zum reinen Hören. Konzerte, Live-Acts und Performances geben Künstlern der akustischen Kunst eine Bühne.
In der Hörtheke stehen durchgängig große Produktionen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Hören bereit. Ein ‚Best-of’des deutschen, schweizerischen und österreichischen Rundfunks mit Stücken von:
Ror Wolf, Heiner Müller, Dylan Thomas, Eran Schaerf, Philippe Soupault, George Tabori, Wajdi Mouawad, David Zane Mairowitz, Liquid Pinguin Ensemble, Urs Widmer, Eberhard Petschinka, James Joyce, Paul Plamper und SheShePop und vielen anderen mehr.
Auftretende Künstler: Atelier de Création Sonore Radiophonique (Belgien), Hermann Bohlen, Alessandro Bosetti (Italien), Arturas Bumšteinas (Litauen), Mila Burghardt, Dietmar Dath, Joe Davis (USA), Friendly Fire, Rafael Jové, Schorsch Kamerun, Karl-Nikolaus Peifer, Nathalie Singer und Robert Wilson (USA)
Biografien der Teilnehmer
Künstlerische Leitung: Oliver Sturm
Radio Zukunft ist ein Festival der Akademie der Künste und der Kulturstiftung des Bundes
In Kooperation mit der Hans-Flesch-Gesellschaft e.V. – Forum für akustische Kunst, unterstützt von der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL)
im Studiofoyer
Zu Pionierzeiten des Rundfunks war eine Technologie sehr verbreitet, die mit Kristall-Detektoren arbeitete. Diese Detektorempfänger, auch Detektorradios genannt, brauchten schon damals keine Stromquelle, denn der Empfänger konnte direkt mit der Energie der Radiowellen gespeist werden.
Inspiriert von dieser Etappe der Technikgeschichte hat der amerikanische Künstler und Wissenschaftler Joe Davis bereits unzählige ‚Crystal Radios’ gebaut. Dabei verwendet Davis aber auch Materialien, die normalerweise nicht im Bereich der Radioelektronik verwendet werden.
Die schönsten und außergewöhnlichsten Radios sind zum Festival im Foyer der Akademie zu sehen. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht dabei die Installation „Hertzsprung“, die Davis gemeinsam mit dem deutschen Ingenieur Thomas Kaiser eigens für Radio Zukunft entwickelt hat. Davis und Kaiser verfolgen mit dieser Arbeit den Gedanken, dass Radiowellen Photonen sind und diese sich deshalb ähnlich verhalten wie für jeden sichtbares Licht - u. a. eine Erkenntnis, zu der Heinrich Hertz mit seinen Experimenten von 1888 gelangte.
Zwei ‚Crystal Radios’ von Joe Davis: Fox59 (links), Chicken (rechts)
(Fotos: Joe Davis)