Gisèle Freund. Fotografische Szenen und Porträts
Gisèle Freunds (1908-2000) Ruf als eine der berühmtesten Fotografinnen des 20. Jahrhunderts begründen vor allem ihre Porträts von Künstlern wie James Joyce, Simone de Beauvoir, Virginia Woolf oder Frida Kahlo, einzigartige Aufnahmen in Farbe, die sie seit 1938 als eine der ersten konsequent einsetzte.
Für die Ausstellung in der Akademie der Künste wurden etwas mehr als fünfzig Porträts ausgewählt. Digital nach neuestem technischem Standard bearbeitet, zeigen die Fotografien jetzt ihre ursprüngliche, lebendige Farbigkeit. Und die Kuratoren Janos Frecot und Gabriele Kostas lassen sie auf völlig neue Weise sehen: im materialreichen Kontext und – erstmals so akzentuiert – als Teil und eigentliches Resultat von Gisèle Freunds weit umfassender interessierten fotografischen Bestandsaufnahmen aus Lebens- und Arbeitswelten der Porträtierten.
Diese ungewöhnlich enge Beziehung sichtbar werden zu lassen, findet die Ausstellung eine Sprache: Fotografische Szenen in dokumentarischer Fülle – beiläufige, erhellende, vielfach auch noch unbekannte Ansichten – verdichten sich zu Storyboards, aus denen sich das Einzelporträt als Zusammenfassung unterschiedlicher Aspekte heraushebt – unverstellt den Blick der Foto-Reporterin erkennen lassend, als die Gisèle Freund sich selbst vor allem verstand.
Ihre in der Rezeption gewöhnlich getrennten Arbeitsfelder Reportage und Porträt zeigen sich so ganz unangestrengt verbunden. Abwechslungsreich, vielfältig assoziativ und faktisch fundiert durch neue Forschungen in Gisèle Freunds jetzt zugänglichem Archiv im IMEC (Institut Mémoires de l‘édition contemporaine), Paris, gibt die Ausstellung einen Schlüssel zu einem erweiterten Verständnis vieler Facetten ihres Werkes. Die einzigartigen Dokumentationen des Geisteslebens, die wir Gisèle Freund verdanken, entfalten eine neue Faszination.
Insgesamt 280 Farb- und Schwarzweißfotografien von 1935 bis 1965, Kontakte, Vintage- und Ausstellungsprints, ordnen sich in 14 Kapiteln. Die Auswahl konzentriert sich auf Persönlichkeiten vor allem der literarischen Welt, nahen oder eher flüchtigen Begegnungen Gisèle Freunds auf ihren biografischen Stationen, über die durch die Kapitelfolge zugleich eine Übersicht gegeben wird. Zu sehen sind André Malraux und Delegierte des Ersten Internationalen Schriftstellerkongresses zur Verteidigung der Kultur 1935, Paris, Adrienne Monnier und Sylvia Beach in ihren Buchhandlungen „La Maison des Amis des Livres“ und „Shakespeare & Company“, André Breton, Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre, James Joyce, Vladimir Nabokov in Paris, Virginia und Leonard Woolf in Bloomsbury und East Sussex, Vita Sackville-West und Harold Nicolson auf Sissinghurst, Pablo Neruda in Isla Negra, Chile. Dem mexikanischen
Künstlerpaar Frida Kahlo und Diego Rivera und – mit vielen atmosphärischen Eindrücken – ihrem Lebensstil ist ebenfalls ein Kapitel gewidmet.
Besonderen Raum nimmt Gisèle Freunds Verbindung zu Walter Benjamin ein, die, neben gemeinsamen kunstsoziologischen Interessen, durch Freundschaft und Solidarität im Pariser Exil geprägt war. Dies illustrieren Dokumente aus dem Walter Benjamin Archiv der Akademie der Künste – und erstmals sind alle, auch die bisher noch nie veröffentlichten Aufnahmen versammelt, die Gisèle Freund von Walter Benjamin machte.
Ausdrücklich fotojournalistische Akzente setzen die mit anschaulichen Details überraschende Reportage über die Pariser öffentlichen Bibliotheken von 1937 und die 1950 in Buenos Aires entstandenen und sogleich international publizierten – decouvrierenden und bis heute eigentümlich faszinierenden – Aufnahmen von Eva Perón.
Als Prolog sieht man eine Sequenz der Berlin-Fotografien aus dem Bestand der Stiftung Stadtmuseum Berlin; Gisèle Freund machte sie 1957 und 1962, als Besucherin aus Paris in der Stadt, in der sie 1908 in Schöneberg geboren wurde und die sie 1933 ins Exil verließ.
Flyer zur Ausstellung (pdf-Dokument zum Download)
Gisèle Freund (1908–2000) was one of the most famous photographers of the 20th century. Her colour portraits of writers and artists such as James Joyce, Simone de Beauvoir, Virginia Woolf or Frida Kahlo have long achieved iconic status.
The exhibition opens a new perspective on a seemingly familiar work by showing the portrait photographer as she always wanted to be seen: as a photo-journalist. The exhibition reveals how, in the work of Gisèle Freund, the creation of her portraits was connected to the documentation of the working and living environment of those photographed. Together with the large portraits, there are also many, unpublished photographs of the celebrities in their everyday lives.
The exhibition, curated by Janos Frecot and Gabriele Kostas, presents 280 colour and black-and-white photographs in 14 chapters. The first time Gisèle Freund‘s colour portraits have been digitally processed with state-of-theart technology, so that the images can be seen anew in their original colourfulness. All of the portraits that Gisèle Freund made of Walter Benjamin will also be shown for the first time. A special chapter is devoted to the relationship between the two immigrants, presenting letters and texts as well.