27.11.2024, 16 Uhr

Symptom Berlin – Ein dringender Appell der Akademie der Künste

Kultur ist keine Stellschraube für kurzfristige Haushaltskonsolidierung – sie ist eine Investition in die Identität und Zukunft unserer Gesellschaft!

Die radikalen Kürzungen des Berliner Senats – bis zu 12 Prozent des Kulturetats – bedrohen eine der lebendigsten und vielseitigsten Kulturszenen der Welt. Diese Kürzungen sind mehr als ein lokales Problem: Sie markieren einen Wendepunkt im gesellschaftlichen Umgang mit Kunst und Kultur und spiegeln einen beunruhigenden Rückschritt wider, der über Berlin hinaus Signalwirkung entfaltet – auch mit Blick auf die kommenden Bundestagswahlen.

Kultur ist kein Luxus – sie ist Ausweis der Liberalität einer Gesellschaft

Kunst und Kultur sind nicht verzichtbar. Sie sind der Ort, wo die Liberalität einer Demokratie verhandelt wird. Illiberale Entwicklungen in den Künsten und der Kultur sind Kennzeichen autoritärer Entwicklungen. In einer zunehmend polarisierten Welt schaffen Kunst und Kultur Räume für Dialog und Verständigung, fördern Gemeinschaft und gewährleisten gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die geplanten Einsparungen treffen nicht nur die großen Kulturinstitutionen, sondern auch die Freie Szene, Literaturhäuser, Kinder- und Jugendtheater sowie inklusive Bildungsprojekte. Vor dem Hintergrund der illiberalen Entwicklungen sind jedoch Aufklärung und Bildung der Jugend notwendiger denn je.

Ein wirtschaftlicher Irrweg

Kultur ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor: Die Kultur- und Kreativwirtschaft erzielt jährlich direkt und indirekt Milliardenumsätze und schafft tausende Arbeitsplätze. Sie ist nicht nur für eine Stadt wie Berlin ein Alleinstellungsmerkmal. Wer hier kürzt, riskiert nicht nur kulturelle Errungenschaften, sondern auch die Attraktivität und wirtschaftliche Zukunft der vielfältigen Kulturlandschaft in Deutschland.

Forderung an die Politik: Keine Kürzungen ohne Dialog

Die Akademie der Künste fordert den Berliner Senat auf, die Kürzungen zu überdenken und mit den Kulturschaffenden in den Dialog zu treten. Wenn es in wirtschaftlich schwierigen Zeiten unerlässlich ist zu sparen, müssen nachhaltige, strategisch abgestimmte Lösungen die kulturelle Vielfalt und Stärke in Deutschland bewahren und nicht mit kurzfristigen Sparmaßnahmen zerstören. Kultur ist keine Stellschraube für kurzfristige Haushaltskonsolidierung – sie ist eine Investition in die Identität und Zukunft unserer Gesellschaft!

An die Kulturschaffenden: Solidarität beginnt bei uns selbst

Kultur lebt von Solidarität. Die Akademie der Künste ruft die gesamte Kulturszene auf, gemeinsam für den Erhalt unserer kulturellen Infrastruktur zu kämpfen und sich gegenseitig zu unterstützen. Solidarität einzufordern heißt auch, sie zu leben: Die Akademie der Künste wird künftig das Profil ihrer Standorte schärfen und enger mit der Freien Szene kooperieren. Sie wird schöpferische Allianzen schmieden, um gemeinsam eine lebendige, zukunftsfähige Kultur zu sichern. Denn es droht ein Verlust an Vielfalt, Liberalität und experimentellem Denken, spürbar weit über Berlin hinaus. Die Akademie der Künste wird mit verschiedenen Formaten die notwendige kulturpolitische Debatte zur Bundestagswahl anschieben und lädt schon jetzt alle ein, sich in das Ringen um den Erhalt unserer liberalen Demokratie einzubringen.

Manos Tsangaris                                 
Präsident der Akademie der Künste

Anh-Linh Ngo
Vizepräsident der Akademie der Künste