24.9.2012, 17 Uhr

Peter Zadek

Mit der Buch-Präsentation "Peter Zadek und seine Bühnenbildner" wird das umfangreiche Archiv vorgestellt

Von Stephan Dörschel

Dokumentation

„Der Bühnenboden ist ein Zauberort, auf dem alles gemacht werden kann. Da kann einer kommen und sagen: Ich bin Rumpelstilzchen! – und ich glaube es ihm; oder es kommen zehn Leute auf die Bühne marschiert und behaupten, sie seien eine Armee – ich glaube es sofort.“
(Menschen Löwen Adler Rebhühner, S. 155–156)

Was hält einen Regisseur über 60 Jahre – solange war Zadek im Theater tätig – in diesem nervenaufreibenden Beruf, was bringt ihn 50 Jahre lang immer wieder in die deutschen Theater-„Charts“? Ein bestimmter Stil ist es nicht – soviel weiß man, wenn man die Akademie-Publikation Peter Zadek und seine Bühnenbildner auch nur durchblättert oder wenn man die Selbstaussagen der Bühnenbildner Wilfried Minks, Götz Loepelmann, Daniel Spoerri, Peter Pabst, Horst Sagert, Johannes Grützke, Rouben Ter-Arutunian und Karl Kneidl sowie des Lichtkünstlers André Diot, die in diesem Buch versammelt sind, liest.

Zur Eröffnung des Peter-Zadek-Archivs für die interessierte Öffentlichkeit und die Wissenschaft wird die Publikation Peter Zadek und seine Bühnenbildner präsentiert. Die Schriftstellerin und Übersetzerin Elisabeth Plessen, Zadeks Lebens- und Arbeitsgefährtin, hat sie im Auftrag der Akademie herausgebracht.

Am 3. Oktober 2012 um 11.30 Uhr stellen Elisabeth Plessen und Hermann Beil das Buch im Studio der Akademie der Künste am Hanseatenweg vor Anschließend wird in Erstaufführung eine Probendokumentation des Dokumentarfilmers Roland Steiner von Peter Zadeks letzter Inszenierung Major Barbara (Zürich 2009) gezeigt.

Peter Zadek gehörte seit 1958 zum unverzichtbaren Bestandteil des (west-) deutschen Theaterlebens. Er war nicht nur für manche Neu- und Wiederentdeckung gut (Brendan Behan, Christopher Marlowe, John Webster), etablierte bereits auf der provisorischen Provinzbühne in Ulm das für Deutschland neue Genre des Musicals (Wo ist Charly? 1960), sondern sorgte auch immer wieder für handfeste Theaterskandale. Vergessen wird darüber gerne, dass Zadek, als er mit 32 Jahren zum ersten Mal nach dem 2. Weltkrieg und der erzwungenen Emigration der Familie wieder deutschen Boden betrat, bereits fünfzig Inszenierungen als Regisseur verantwortet hatte. Peter Zadek kam zwar als junger Mann, aber als Profi nach Deutschland, der mit allen Wassern des – englischen – Theaters gewaschen war. In London hatte er bereits mit der Uraufführung von Jean Genets Der Balkon Skandal gemacht, das er nicht britisch-distanziert-stilisiert aufführte, wie es sich der Autor gedacht und vorgeschrieben hatte, sondern realistisch-naturalistisch. Ein produktives, aber auch unüberbrückbares Missverständnis, was ziemlich genau 40 Jahre später auch der britischen Autorin Sarah Kane mit der deutschen Erstaufführung von Gesäubert widerfuhr.

Seine Auffassung vom Theater hat Zadek seit den 1990er Jahren in fünf Büchern beschrieben. Die Geschichte seines Aufstiegs und seiner Theater-Eskapaden konnte man darüber hinaus in der Fachzeitschrift Theater Heute seit ihrem Beginn beinahe Heft für Heft nachlesen. Die Zeugnisse dieses reichen Theaterlebens, das wie kein anderes die westdeutsche Theaterlandschaft von Grund auf veränderte, befinden sich in dem umfangreichen Peter-Zadek-Archiv der Akademie der Künste in Berlin. Über 35 Regalmeter und zehn Grafikschrank-Schübe nehmen Regiebücher, Konzeptions- und Produktionspapiere, Fotos, Kritiken, Briefwechsel, Plakate und Bühnengrundrisse sowie die Familienalben der Familie Zadek ein. Diese einmalige Quelle dokumentiert das 24seitige, enggedruckte Werkverzeichnis des Bühnenbildner-Buches. Es belegt unter anderem die legendären einwöchigen Regien Peter Zadeks Mitte der 1950er Jahre in Pontybridd bzw. Swansea. Die akribische Textarbeit spiegelt sich in den unterschiedlichen Fassungen der Übersetzungen wider, die sich im Archiv befinden. Bemerkenswert auch die Fotos, die Zadek auf großen Bilderwänden als Assoziationsmaterial für das Regieteam und die Schauspieler schon bei Hamlet (1977) aufstellen ließ.

Peter Zadeks Arbeit als Regisseur und seine Tätigkeit als Intendant in Bochum, Hamburg und Berlin (dort zusammen mit Matthias Langhoff, Fritz Marquardt, Heiner Müller und Peter Palitzsch) werden so nachvollziehbar und für die Forschung erreichbar. Bis zum Abschluss der Verzeichnung wird jedoch noch etwas Zeit vergehen müssen.
Das Peter-Zadek-Archiv befindet sich in der Archivabteilung Darstellenden Kunst in guter Gesellschaft: ihm zur Seite die Personalarchive von Kurt Hübner, Wilfried Minks, Peter Palitzsch und dem Bremer Musiktheater-Kollegen Götz Friedrich sowie die legendäre Sammlung Franz Gauker, die die gesamte Periode der Bremer Intendantentätigkeit Kurt Hübners umfasst – eine einzigartige Quelle zur Entstehung des modernen westdeutschen Regietheaters.

Zur Veranstaltung

Die Veranstaltung, die nicht nur die jüngste Buchpublikation der Akademie, Peter Zadek und seine Bühnenbildner, der Öffentlichkeit vorstellte, sondern zugleich auch das Peter-Zadek-Archiv im Archiv der Akademie gleichsam der Öffentlichkeit übergab, war gut besucht. Auffallend war, daß nicht nur die Weggenossen Peter Zadeks sich hier einfanden, darunter die Bühnenbildner Wilfried Minks, Götz Loepelmann, Johannes Grützke und Karl Kneidl, die Kostümbildnerin Barbara Naujok, die Fotografin Gisela Scheidler sowie die Schauspieler Jutta Hoffmann, Uwe Bohm und Carla Riveros Eissmann, sondern auch viel junges Publikum, das sich über Peter Zadek informieren wollte.
Nach der Begrüßung durch den Archivdirektor Wolfgang Trautwein, der anschaulich die Topographie des Archivs in Zadeks Haus im toskanischen Vecoli beschrieb, führte die Herausgeberin Elisabeth Plessen, seine Lebens- und Arbeitsgefährtin, aus, mit welcher Neugierde Zadek sich immer wieder überraschen lassen wollte – nicht nur von seinen Schauspielern, sondern genauso auch von seinen Bühnenbildnern und Lichtgestaltern: „Die Suche, Sucht fast, nach neuem Abenteuer in der Welt der Vorstellung, dem noch immer Unbekannten, das in die Erfahrung eingeht, um sie zu verfeinern, zu vertiefen, trieb Peter bis zum Schluß. Die Erkundung des Ungewissen, irgend Möglichen.“ Herrmann Beil erläuterte unter anderem anhand von Zadeks epochemachender Inszenierung von Wedekinds Frühlings Erwachen, Bremen 1965, die Wirkung seines Theaters und machte noch einmal deutlich, daß der Stil Peter Zadeks in seiner Stillosigkeit bestand, in seiner Art Fragen zu stellen anstatt nach Antworten zu suchen: „Zadek hat keine Methode, er hat eine Haltung. Alle seine Bühnenräume entstehen aus der Haltung, sich auf nichts zu verlassen, keine Bildfindungen zu wiederholen, für jedes Stück einen neuen Weg zu suchen und zu gehen.“ Nach einer kurzen Pause stellte Roland Steiner seinen eindrucksvollen Dokumentarfilm Zärtliche Kraft über die Probenarbeit von George Bernard Shaws Major Barbara, Zürich 2009, vor. Peter Zadek hatte noch nie zuvor Filmaufnahmen während der Proben zugelassen – es war seine letzte Inszenierung.
Zwei Vitrinen im Foyer des Studios der Akademie am Hanseatenweg gewährten Einblicke in die Materialfülle des Peter-Zadek-Archivs: von Probenfotos, Requisiten (Angela Winklers Hamlet-Dolch von 1999), über eine seltene Bühnenskizze Horst Sagerts zur legendären Shakespeare-Inszenierung Der Widerspenstigen Zähmung, Berlin 1981, bis hin zum Familienalbum der Zadeks, in dem Peter in seiner ersten Rolle als Captain Hook zu sehen ist.

Stephan Dörschel, Oktober 2012

 1. Peter Zadek Veranstaltung in der Akademie der Künste im Studio Hanseatenweg 10
 2./3. Vitrinenpräsentation im Studiofoyer Hanseatenweg
 4. Stephan Doerschel und Götz Loepelmann im Foyer der AdK
 5. Elisabeth Plessen und Gisela Scheidler im Foyer der AdK
 6., 7., 8. Wolfgang Trautwein, Direktor des Archivs, Elisabeth Plessen, Hermann Beil,
 9. Michelle Zadek-Ewing und Marleen Stoessel im Foyer der AdK
10. Karl Kneidel im Foyer der AdK

Fotos: AdK, Silke Lipert 2012

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