6.2.2007

Hommage à Patrice Chéreau

Filmreihe (25. 2. bis 9.3.) und Gespräch mit Patrice Chéreau am 11.3.  in der Akademie der Künste

Patrice Chéreau, seit 2003 Mitglied der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste, wird zum Auftakt des Festivals FRANCE EN SCÈNE mit einer Auswahl aus seinem Œuvre in beiden Häusern der Akademie (Hanseatenweg und Pariser Platz) erstmalig vorgestellt. Heute zählt Patrice Chéreau mit seinen Arbeiten für Oper, Schauspiel und Film zu den  renommiertesten Regisseuren Europas.

Programm

Hommage à Patrice Chéreau  in der Akademie der Künste

Hanseatenweg 10, 10557 Berlin-Tiergarten

Sonntag, 25. Februar
12.00 Uhr, Studio
„Jagdszenen im Zwischenreich“ Das Musiktheater und die Filme von Patrice Chéreau
Vortrag Gerhard R. Koch, mit Videobeispielen
19.00 Uhr, Studio
Der Ring des Nibelungen / Richard Wagner (1976-1980 Bayreuth),
Einführung Peter Wapnewski
Das Rheingold

Montag, 26. Februar
19.00 Uhr, Studio
Die Walküre

Dienstag, 27. Februar
19.00 Uhr, Studio
Siegfried

Mittwoch, 28. Februar
19.00 Uhr, Studio
Götterdämmerung
Eintritt  jeweils € 4/3, Ring gesamt € 12/8

Sonntag, 4. März
18.00 Uhr, Studio
Film. Der verführte Mann, 1983
20.00 Uhr, Studio
Film. Intimacy, 2001
Eintritt jeweils € 4/3

Dienstag, 6. März
19.00 Uhr, Studio
Lulu / Alban Berg, 1979, Pariser Oper
Eintritt € 4/3

Pariser Platz 4, 10117 Berlin-Mitte

Freitag, 9. März
18.00 Uhr, Blackbox
Phädra /Jean Racine, 2003, Théâtre de l’Odéon, RuhrTriennale
20.30 Uhr, Blackbox
In der Einsamkeit der Baumwollfelder / Bernard-Marie Koltès, 1995
Eintritt € 4/3

Sonntag, 11. März
11.00 Uhr, Plenarsaal
Gespräch mit Patrice Chéreau, Michel Bataillon, Gerhard R. Koch, Ivan Nagel
Eintritt € 5/4
 

Biographie Patrice Chéreau (siehe auch www.adk.de)

Alles, was ich weiß, was ich je gelernt habe, kommt kaum von Aufführungen im Theater, überwältigend vom Film. Ich wählte das Theater, weil es griffbereit war.
                                                                                           Patrice Chéreau

Studium der Germanistik an der Faculté des Lettres in Paris.
Beginn seiner Karriere als Regisseur im Sprechtheater.
1966-1969 Leiter des Theaters der Pariser Trabantenstadt Sartrouville, Versuch ein engagiertes Volkstheater zu schaffen.
1971 künstlerischer Co-Direktor, später – zusammen mit Roger Planchon – Direktor des Théâtre National Populaire in Villeurbanne.
Kurz danach Hinwendung zur Oper und zum Film.
1981 Rückkehr ans Théâtre National Populaire in Villeurbanne.
1982-1990 Leitung des Amandiers-Theaters im Pariser Vorort Nanterre, danach Konzentration auf Filmarbeiten.
Seit 1990 korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.
Seit 2003 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin

Werk

Schauspiel (Auswahl)

L´affaire de la rue de Lourcine, Eugène Labiche, 1966
Les soldats, Jacob Michael Reinhold Lenz, 1967
La révolte au marché noir, Dimitriakos, 1968
Don Juan, Jean-Baptiste Molière, 1969
Richard II., William Shakespeare, Paris, 1970
Splendeur et mort de Joaquin Murieta, Pablo Neruda, Piccolo Teatro Mailand, 1970
Massacre à Paris, Christopher Marlowe, 1972
La dispute, Pierre de Marivaux, 1973
Lear, Edward Bond, 1975
Peer Gynt, Henrik Ibsen, 1981
Les paravents, Jean Genet, 1983
Combat de nègre et de chiens, Bernard-Marie Koltès, 1983
La fausse suivante, Pierre de Marivaux, 1985
Quai ouest, Bernard-Marie Koltès, Nanterre/Paris, 1986
Dans la solitude des champs de coton, Bernard-Marie Koltès, 1995
Hamlet,  William Shakespeare, 1987, 1995
Le retour au désert, Bernard-Marie Koltès,1988
Le temps et la chambre, Botho Strauß, 1991

Oper (Auswahl)

L´italienne à Alger, Rossini, Spoleto, 1969
Les contes d´Hoffmann, Offenbach, Paris, 1974
Der Ring des Nibelungen, Wagner, Bayreuth, 1976-80
Lulu, Alban Berg, Paris, 1979
Lucio Silla, Mozart, Brüssel, 1985
Wozzeck, Alban Berg, Paris, 1992-1998
Don Giovanni, Mozart, Salzburger Festspiele, 1994-96

Film (Auswahl)

La chair de l´orchidée, dt. "Das Fleisch der Orchidee"1975
Judith Therpauve, 1978
L´homme blessé, 1984
Hôtel de France, 1987
La Reine Margot, 1994
Ceux qui m´aiment prendront le train, 1998
Intimacy, 2001
Son frère, 2003
Gabrielle, 2005
 

Auszeichnungen und Preise (Auswahl)

1984 Officier de l´Ordre des Arts et des Lettres,
1984 "César", für "L´homme blessé"
1988 Prix Dominique
1989 "Molière"
1992 "Molière"
1993 Friedrich-Gundolf-Preis
1994 Preis der Jury des Festivals in Cannes
1995 Großer Nationalpreis
1996 "Molière"
1999 "César" für "Ceux qui m´aiment prendront le train"
2001 "Goldener Bär" und "Blauer Engel" für die beste Regie bei "Intimacy"

Patrice Chéreau über sich, über Theater, Oper, Film


„…Meine erste große Erschütterung war der Algerien-Krieg. Da war ich achtzehn. Damals bin ich auf die Straße gegangen, habe Nächte im Gefängnis verbracht. Den Mai 1968  habe ich schon viel distanzierter erlebt. Viele Studenten, und vor allem die Künstler, die sich mit den Arbeitern verbünden wollten, erschienen mir lächerlich. Es war wie Theater. Das bedeutete aber nicht, dass es umsonst war. Gewisse Vorstellungen sind durch das, was damals geschah, unmöglich geworden. Man kann zum Beispiel jetzt nicht mehr sagen, der Kommunismus  sei die einzige Wahrheit, wie es die Linken  vor 1968 verkündet haben. Wir schwärmten für Kuba, niemand wußte warum. Es war eine Mode. Daß die politische Wahrheit mit  einem bestimmten Land, einer bestimmten Partei verbunden ist, glaube ich heute nicht mehr. Das ist eine der Lehren, die ich  aus dem Scheitern der Revolte von 1968 gezogen habe….“
 „… Ich sage immer, die Ohnmacht der Kunst ist ihre Größe, aber so ganz ohne Macht ist sie gar nicht. Ich bin Pessimist, aber in diesem Punkt vielleicht nicht. Ich glaube doch, daß wir mit Kunst etwas bewegen können, nicht viel, aber mehr, als manch einer annimmt….“             
(1988 im Gespräch mit André Müller) 

"…In einem bestimmten Augenblick der Theaterproben könnte man sich entscheiden zu filmen. Man könnte ohne jede Schwierigkeit vom Theater zum Film überlaufen. Dieser Augenblick einer möglichen Trennung, Gabelung hat mich immer fasziniert. Er geschieht am Abend, an dem, wie durch ein Wunder, eine sehr gute Durchlaufprobe des Stückes gelingt, es ist ein Moment der Gnade, den das Kino festhalten könnte, den aber das Theater wieder verlassen muss, um in der Dauer, in der Zeitlichkeit zu arbeiten. Der Film fixiert in einem bestimmten Augenblick, in dem alles noch lebendig und spontan ist, das, was der Vorgang Theater zur sicheren Wiederholbarkeit bringen muss. Das ist für mich der einzige, wirklich der einzige Unterschied zwischen der Leinwand und der Bühne. …"    
(2004 im Gespräch mit Antoine de Baecque)
 
„…Vertrauen ist die Voraussetzung für gutes Arbeiten. Ich habe eine starke Beziehung zu den Akteuren. Ein Regisseur muss ihnen helfen, das Beste aus sich herauszuholen. Nur wenn sie mit ihm besser sind als ohne ihn, hat er seine Funktion erfüllt. Man führt und wird geführt. Diese Wechselwirkung macht den Reiz aus. Zwei Dinge sind wichtig: Man muss Schauspieler wirklich mögen, und man darf sie nicht fürchten.…“
(2003 im Gespräch mit Kino Kino)

 „…Ich mache inzwischen keinen Unterschied mehr zwischen Oper, Film oder Schau spiel. Es geht immer darum, eine Geschichte zu erzählen, Rollen schlüssig zu bauen, dem Zuschauer Emotionen glaub würdig zu vermitteln. Wobei der Komponist vieles bereits geklärt hat, was Sie im Film oder Schauspiel als Regisseur erst erfinden müssen: Tempo, Pausen, Rhythmus, das Verhältnis der Stimmen zueinander...
Ich würde die Unterschiede nicht zu hoch an setzen. Auch Schauspieler haben Stimmen. Auch ein Text ohne Musik hat seinen Rhythmus und sein Tempo. Man muss sich nur die Mühe machen, das zu ergründen. Natürlich gibt die Musik in der Oper vieles vor. Aber dieser Zwang macht auch frei. In der Abwesenheit von Freiheit gibt es eine große Freiheit. Das wird Ihnen jeder Darsteller bestätigen: Wenn der Rahmen genau fixiert ist, geht es oft erst richtig los. .. . Was ich grundsätzlich ablehne, ist allerdings, filmische Bilder auf der Opernbühne zu zeigen. Das bringt nichts. Intimität in der Oper entsteht auf völlig andere Weise als im Kino. Wenn ich sagte, dass ich keinen Unterschied zwischen Oper, Film und Schau spiel mache, so gilt das für die Grundsätze der Arbeit. Die Mittel sind aber natürlich jeweils ganz verschiedene. Da gibt es keinerlei Analogie. Deshalb habe ich es, in Absprache mit Pierre Boulez, bei der Uraufführung der dreiaktigen «Lulu» in Paris abgelehnt, den von Berg vorgesehenen Film zu realisieren. Auch zu allen Angeboten, eine Oper zu verfilmen, habe ich immer nein gesagt. Wenn ich einen Film drehen will, drehe ich einen Film. …“          
(o. D. im Gespräch mit Stephan Mösch)

Presseanmeldung unter: presse@adk.de oder Tel.: (030) 20057 1514

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