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Anna T. SzabóPortrait Anna T Szabó
Stipendiatin der Sektion Literatur 2006

Vorgeschlagen von György Konrád

1972 geboren in Kolozsvár (Transsylvanien), Rumänien
1987 Übersiedlung nach Ungarn
1991-1997 Studium an der ELTE Universität Budapest, Englisch und Ungarisch
1998-2001 Doktorat an der ELTE Universität Budapest (Übersetzung von Shakespeare-Sonetten)
Übersetzerin von Gedichten, Romanen, Essays, Theaterstücken, Hörspielen und Libretti ins Ungarische, Journalistin und Literaturkritikerin
Leiterin eines Seminars für Übersetzer des British Council
Editorin des Internet-Literaturarchivs der Ungarischen Buch-Stiftung
Zur Zeit Arbeit an einem Gedichtband mit dem Titel „Verläßt mich“ und an einer neuen Übersetzung der Sonette Shakespeares

Anna T. Szabó lebt in Budapest mit ihrem Mann György Dragomán und den beiden gemeinsamen Söhnen.

Publikationen (Auswahl)
1995 „A madárlépte hó“, Gedichte, Belvárosi, Budapest
1998 „Nehézkedés“, Gedichte, Magvető, Budapest
2002 „Fény“, Gedichte, Magvető, Budapest
2003 „Sycorax“, Libretto
2004 „Heimlesbürger“, Theaterstück
2004 „Rögzített mozgás“, Gedichte, Magvető, Budapest

In deutscher Sprache
1999 „Über das Auge“, „Das Tor“, Deutsch von Gerhard Falkner, In: „Budapester Szenen: Junge ungarische Lyrik“, herausgegeben von Gerhard Falkner und Orsolya Kalász, Dumont
2005 „So wie“, „Volksstadion“, Deutsch von István Orbán, Lesung, Collegium Hungaricum, Wien
2005 „Der heutige Tag“, „Verläßt mich“, Deutsch von György Buda, In: „Lichtungen“, Frühjahr, Graz

In englischer Sprache
2004 „Developing”, übersetzt von Samantha Wynne Rhydderch, „from Winter Diary“, übersetzt von Clare Pollard, The Anthology of the Converging Lines British-Hungarian Poetry Festival, herausgegeben von The British Council, Budapest
2004 „from Winter Diary”, übersetzt von Clare Pollard, poetry london, Herbst, Nummer 49
2004 „Seaquake”, „Traffic”, „from Winter Diary”, „City of Poets: Dublin”, Juni, Project Arts Centre
„How to Photograph Seagulls”, „Developing”, „Experiment with Candle and Wineglass”, „On Darkness”, „Autofocus”, übersetzt von Samantha Wynne Rhydderch, Clive Wilmer und George Gömögi, Poetry Wales, Band 37, Nummer 4
2004 „On Darkness”, „Hospital Window”, übersetzt von Clive Wilmer und George Gömöri, An Island of Sound: anthology of Hungarian Poetry, The Harvill Press
2005 „Whitewater”, „Coldlight”, übersetzt von Peter Zollman, Cencrastus Scottish and International, Heft 81
2005 „This Day”, „Fire”, „We Say”, Gedichte und der Essay „Poetry in the Night”, übersetzt von George Szirtes, The Hungarian Quarterly, Band 46
„The Labour Ward”, „This Is How It Goes”, „Adolescents”, „Plastic Surgery”, „Twilight”, übersetzt von Clive Wilmer und George Gömöri, The Hungarian Quarterly, Band 46. Nummer 177

Preise und Stipendien
1996 Petõfi-Stipendium
1997 Soros-Stipendium
2000 Tíbor Déry-Preis
2001 Móricz Zsigmond-Stipendium
2002 Attila József-Preis
2003 Vackor-Preis
Kavics-Preis
2004 Zoltán Zelk-Preis
2005 János Arany-Stipendium
Spezial-Preis der Tokaj Schriftsteller Konferenz

Mutterschaft, Natur, Alltagssorgen sind die wichtigsten Themen des neuen Gedicht-Bandes „Rögzített mozgás“ (Befestigte Bewegung, 2004) von Anna T. Szabó. Die Autorin hält Ereignisse, Emotionen und Stimmungen mit der für sie charakteristischen fotografischen Tiefenschärfe fest. Sie spricht über das Persönlichste in der sachlichsten Weise. Diese Spannung durchzieht ihre Lyrik. Dynamik entströmt ihren Gedichten, und diese Kraft zügelt disziplinierte Form. Sie erlaubt den Bildern nicht, sich loszureißen. Zurückhaltung und Bändigung steigern den Schwung, beinahe bis zur Explosion. Anna T. Szabó riskiert in ihrer Lyrik die Behauptung, das Leben sei schön und habe einen Sinn – ohne uns davon überzeugen zu wollen. Sie hält Alltagsgegenstände und Bilder, die auf den ersten Blick unbedeutend erscheinen, verschiedene Stufen des Lichts, Bewegungen fest. Für Licht hat sie so viele Wörter wie die Eskimos für die verschiedenen Arten von Schnee. Licht, ein Zentralbegriff in der Lyrik von Anna T. Szabó, ist hier kein romantischer Mondstrahl, sondern die uranfängliche Grundlage der Entstehung allen Lebens.
Magdolna Kocziha, Collegium Hungaricum, Wien 2005

(Werkbeispiel:)
Verläßt mich

Sie verrät und verläßt mich.
Sie stößt mich aus und verläßt mich.
Nährt mich aus sich und verläßt mich.
Wiegt mich, verläßt mich.
Streichelt mir die Sohlen, putzt mir den Po,
kämmt mir das Haar und verläßt mich.
Ich trink ihren Duft, sie drückt mich an sich:
„Ich verlasse dich nie“ und verläßt mich.
Sie heuchelt, lächelt: „Hab keine Angst!“
Ich friere, hab Angst – sie verläßt mich.
Sie legt sich abends zu mir auf das Bett,
dann schleicht sie davon und verläßt mich.
Groß ist sie, warm, mein lebendiges Nest,
sie küßt mich summend, verläßt mich.
Sie füllt mir die Hände mit Zuckerwerk,
hier, nimm und iß – und verläßt mich.
Ich heule und tobe, drück sie an mich,
halte, haue und doch: sie verläßt mich.
Sie verschließt die Tür und blickt nicht zurück,
ich bin ein Nichts, wenn sie mich verläßt.
Ich warte auf sie wie ein zitterndes Tier,
sie kommt, umhalst und verläßt mich.
Ich will sie, das Leben ist Tod ohne sie,
sie hebt und wärmt und verläßt mich.
Ihr Arm ist schwer, doch ihr Schoß ist mein Haus,
ich will nur sie – sie verläßt mich.
Eins muß ich lernen, ich bin nicht sie,
fremd ist sie, fremd, und verläßt mich.

Weit ist die Welt, du wirst schon erwartet.
Du findest schon eine, die du verläßt.
Schließe die Tür und blick nicht zurück:
warten ist leichter, fahren ist schwer,
eine verrät dich, eine verwaist,
eine wird warten, eine sich fürchten,
eine geht immer ohne Wiederkehr,
die dich gebiert und stirbt und verläßt dich.

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