1.12.2021
Akademie der Künste trauert um Helga Reidemeister (1940–2021)
In der Nacht zum 29. November 2021 ist die Filmemacherin Helga Reidemeister im Alter von 81 Jahren verstorben. Sie war seit 2001 Mitglied der Akademie der Künste. Als Dokumentaristin war Reidemeister eine deutliche und wichtige Stimme im Kanon des politisch engagierten Kinos. In den fast 40 Jahren ihres Schaffens trat sie vor allem mit sozialen Themen, dem Blick auf die Rolle der Frau in der bundesrepublikanischen Gesellschaft und zuletzt mit Filmen aus Afghanistan hervor.
1940 in Halle an der Saale geboren, studierte Reidemeister von 1961 bis 1965 zunächst freie Malerei an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Von 1973 bis 1977 studierte sie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) Regie. Schon in Reidemeisters ersten Filmen zeigt sich die Beschäftigung mit den konkreten Problemen der Arbeiterschaft und vor allem der Frauen, die in Filmen wie Wohnste sozial, haste Qual (1971) und Von wegen ‚Schicksal‘ (1979), der mit dem Filmband in Gold für die Beste Nachwuchsregie ausgezeichnet wurde, münden. In DrehOrt Berlin (1987) geht sie den Mentalitäten in Ost und West nach. Eine Fortsetzung findet sich in Lichter aus dem Hintergrund (1998) über den Ostberliner Punk und Fotografen Robert Paris.
Reidemeisters letzte drei Filme bilden eine Trilogie über Afghanistan. So begleitet sie in Splitter (2012/13) den Kampf eines Jungen, mit Hilfe von Prothesen wieder laufen zu lernen. In Mein Herz sieht die Welt schwarz – Eine Liebe in Kabul (2009) portraitiert sie zwei junge Menschen, die ihre Liebe verteidigen, die im patriarchalen Gefüge nicht zugelassen ist. 2004 realisiert sie Texas – Kabul, in dessen Mittelpunkt Frauen stehen, die sich kritisch zu den politischen Folgen der Ereignisse vom 11. September 2001 äußern.
Helga Reidemeisters Werk wurde vielfach ausgezeichnet und auf internationalen Festivals gezeigt. Ihre Filme werden von der Deutschen Kinemathek bewahrt. Sie unterrichtete im Bereich Dokumentarfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg und übernahm zahlreiche Lehraufträge.
Thomas Heise, Direktor der Sektion Film- und Medienkunst, würdigt Helga Reidemeister mit den Worten: „Sie war eine Künstlerin, die im Wortsinn um ihre Filme rang, auch litt. Existenziell, politisch. Sie war immer auf der Seite derer, die sonst nur am Rande wahrgenommen wurden. Sie schonte sich nie.“
Die Akademie der Künste trauert um ihr Mitglied.
Jeanine Meerapfel
Präsidentin der Akademie der Künste