31.10.2016
Uncertain States. Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen
„We come as friends“ – Filme und Gespräche in ungewissen Zeiten
Morgen, 01. November 2016: Start des Filmprogramms
Filme in ungewissen Zeiten – für den Programmschwerpunkt „Uncertain States“ hat Akademie-Präsidentin und Filmemacherin Jeanine Meerapfel zusammen mit Ulrike Roesen, Leiterin der Filmsektion der Akademie, eine Filmreihe kuratiert, die medial weniger berücksichtigte Aspekte der aktuellen Krisenberichte in den Fokus rückt. In acht Filmen wird vom Weggehen und dem Leben in der Fremde erzählt, vom lebenslangen Dasein in Flüchtlingslagern, von Gewalterfahrungen, die zur Flucht geführt haben und von Zuständen, die absehbar dazu führen werden. Journalistisch, poetisch, experimentell oder mit leichter Hand erzählt, zeichnen sich die Beiträge durch einen besonderen ästhetischen Zugang zu ihrem Gegenstand aus. Ausgewählt wurden Filme von Samir, Anne Poiret, Mahdi Fleifel, Hubert Sauper, Barbara und Winfried Junge, Heidi Specogna (Kamera: Johann Feindt) und Sonia Kennebeck. An den Gesprächen mit den Filmemacherinnen und Filmemachern beteiligen sich u.a. Johann Feindt, Adel Karachouli, Wim Wenders, Andreas Schüller, Irit Neidhart, Dorothee Wenner und Rüdiger Suchsland.
Morgen startet das Programm mit einem Auftaktgespräch. Unter dem Titel „Nomaden – Migranten – Kosmopoliten“ wird die Ambivalenz dieser Begrifflichkeiten thematisiert. Mit dem Medienarchäologen Siegfried Zielinski und den Filmemachern Peter Lilienthal, Jeanine Meerapfel und Samir diskutieren Persönlichkeiten, deren Schicksal direkt oder indirekt mit der Erfahrung von Flucht verbunden ist. Die Veranstaltung beginnt um 17 Uhr. Als erster Film der Reihe wird anschließend um 19 Uhr Iraqi Odyssey des schweizerisch-irakischen Regisseurs Samir gezeigt, präsentiert von Rüdiger Suchsland.
Veranstaltungsort
Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin, Tel. 030 200 57 2000
Pressetickets unter Tel. 030 200 57-1514, presse@adk.de
„Uncertain States. Künstlerisches Handeln in Ausnahmezuständen“
Ausstellung und Veranstaltungsprogramm der Akademie der Künste
15. Oktober 2016 – 15. Januar 2017
www.adk.de/uncertain-states
Gefördert durch die Kulturstiftung des Bundes
Programm
Dienstag, 01.11.2016, 17 Uhr, Eintritt frei
Nomaden – Migranten – Kosmopoliten
Artist Talk mit Jeanine Meerapfel, Peter Lilienthal, Samir und Siegfried Zielinski
Die Familie der Filmemacherin Jeanine Meerapfel flüchtete vor den Nazis aus Deutschland nach Argentinien. Der Filmemacher Peter Lilienthal emigrierte 1939 als Kind mit seiner Mutter von Deutschland nach Uruguay, der Filmemacher Samir übersiedelte 1961 mit seiner Familie aus dem Irak in die Schweiz. Der Medien-archäologe Siegfried Zielinski hat sich aus philosophischer Sicht wiederholt mit dem Phänomen des „Unbehaustseins“ und des Nomadischen als Theoriefigur beschäftigt. Ihnen allen ist die Erfahrung des Fremdseins gemeinsam, dessen Ambivalenz in dem Gespräch ausgelotet werden soll.
Dienstag, 01.11.2016, 19 Uhr, € 6 / 4
Iraqi Odyssey Film von Samir, CH/D/IRQ 2015, 2D Fassung, 163 Min., OmU
In seinem Film Iraqi Odyssey erzählt der schweizerisch-irakische Regisseur die Geschichte des Irak seit dem Ende der Kolonialzeit. Dazu verfolgt er über mehrere Generationen die Lebensläufe der Mitglieder seiner eigenen Großfamilie – einem säkularisierten, auch religiösen, aber immer fortschrittlichen und bisweilen dem Kommunismus zugeneigten Bürgertums angehörig – die sich im Laufe der letzten 50 Jahre über die Welt verstreut hat. So führt der Film das Politische und das Private auf äußerst lebendige Weise zusammen und zeugt von einer irakischen Moderne, die mittlerweile vergessen scheint.
Anschließend Gespräch mit Samir und Rüdiger Suchsland
Donnerstag, 17.11.2016, 17 Uhr, Eintritt frei
Neue Heimat Flüchtlingslager Filmdokumentation von Anne Poiret, ARTE, F 2015, 71 Min., dt. Fassung
Dem „Volk der Unerwünschten“ gehören weltweit 17 Millionen Menschen an. Es sind Flüchtlinge und Vertriebene, die in zum Teil seit Jahrzehnten bestehenden Langzeitlagern leben – einer absurden Parallelwelt, zur Untätigkeit verdammt, weil sie das Lager nicht verlassen und nicht arbeiten dürfen, versorgt und verwaltet von der UN und von internationalen NGOs. Am Beispiel von Lagern in Kenia, Tansania und Jordanien zeigt der Film, wie unterschiedlichste Interessen daran mitwirken, dass sich dieser Zustand fortsetzt.
Donnerstag, 17.11.2016, 19 Uhr, € 6 / 4
A World Not Ours von Mahdi Fleifel, LB/GB/DK/UAE 2012, 93 Min., OmU
Jahr für Jahr kehrt der dänische Regisseur Mahdi Fleifel zurück nach Ain el-Helweh, den Ort seiner Kindheit, um hier Urlaub zu machen. Es handelt sich dabei um das mit weit mehr als 70.000 Einwohnern größte palästinensische Flüchtlingslager im Libanon, es existiert seit über 60 Jahren. Für den Regisseur ist „Ain el-Helweh besser als Disneyland“, aber während er jederzeit gehen kann, ist sein Freund Abu Eiad an den Ort gebunden. Ungewöhnlich schwerelos verortet der vielfach preisgekrönte Film Home-Videos, die die Männer der Familie Fleifel seit Dekaden passioniert drehen, zwischen den politischen Ereignissen.
Anschließend Gespräch mit Mahdi Fleifel und Irit Neidhardt (mec-film)
Dienstag, 22.11.2016, 19 Uhr, € 6 / 4
We Come as Friends von Hubert Sauper, F/A 2014, 110 Min., OmU
Der österreichische Regisseur Hubert Sauper, bekannt durch seinen Film Darwin’s Nightmare, hat sich in seinem mehrfach ausgezeichneten Film, darunter einer Oscar-Nominierung, We come as Friends wiederholt nach Afrika begeben, in den 2011 noch ungeteilten Sudan. Er sammelt Eindrücke, trifft und befragt sudanesische und internationale Entscheidungsträger, Politiker und Profiteure sowie Zufallsbekanntschaften. Mit inszenierten und zum Teil absurden Elementen legt der Film koloniale Denkstrukturen offen und zeigt das Land als Epizentrum neuer Verteilungskämpfe zwischen den Großmächten.
Sonntag, 27.11.2016, 15 Uhr, € 6 / 4
Syrien wie wir es einst sahen – Filme von Barbara und Winfried Junge
Nicht jeder findet sein Troja – Archäologen DEFA-Studio für Dokumentarfilme in Co-Produktion mit der Syrischen Nationalen Filmorganisation 1989/90, 35 Min.
Der Film aus dem Jahr 1989 dokumentiert in einer kurzen Montage anhand wichtiger Ausgrabungsstätten den kulturgeschichtlichen Reichtum Syriens über die Jahrtausende, ehe er die damals aktuelle Grabungsarbeit am Tell Abu Hgaira bei Hassaké im ehemaligen Mesopotamien zum Thema macht – eine Kooperation von Archäologen aus Syrien und der DDR.
„… und der Vater blieb im Krieg“ DEFA-Studio für Dokumentarfilme. Gruppe „document“ im Auftrag des Deutschen Fernsehfunks 1989/90, 46 Min.
Im Herbst 1989 drehen die Filmemacher, bekannt durch ihre Langzeitdokumentation Die Kinder von Golzow, erneut in Syrien, in Elite-Internaten in Aleppo und Damaskus, als „Schule der Märtyrer“ bezeichnet, die Kindern von getöteten syrischen Soldaten soziale Sicherheit und Bildung ermöglichten. Die Schüler und Schülerinnen sprechen über ihr Land, ihre Hoffnungen und ihre Ansprüche in einer modernen Welt.
Anschließend Gespräch mit Winfried und Barbara Junge und dem Lyriker Adel Karachouli. Moderation: Detlef Nakath (Rosa-Luxemburg-Stiftung)
Dienstag, 29.11.2016, 19 Uhr, € 6 / 4
Cahier Africain von Heidi Specogna, Kamera: Johann Feindt, CH 2016, 90 Min., OmU
Ausgangspunkt des Films ist ein schmales Heft mit Zeugenaussagen von 300 zentralafrikanischen Frauen und Mädchen. Darin offenbaren sie, was ihnen im Oktober 2002 im Zuge kriegerischer Auseinandersetzungen von kongolesischen Söldnern angetan wurde. Beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wird es zum entscheidenden Beweismittel im Prozess gegen Jean-Pierre Bemba, dem ersten Angeklagten, der sich wegen Anordnung von Vergewaltigung als Kriegsstrategie verantworten muss. Über mehrere Jahre begleitet die Regisseurin ihre Protagonistinnen und bringt uns deren Schicksale in einer von ständiger Vertreibung bedrohten Welt spürbar nahe.
Anschließend Gespräch mit Heidi Specogna, Johann Feindt, Jürgen Runge. Moderation: Dorothee Wenner
Mittwoch, 11.01.2017, 19 Uhr, € 6 /4
National Bird von Sonia Kennebeck, ausführende Produzenten: Wim Wenders, Errol Morris, USA, 2016, 92 Min., OmU
„Wie so oft in der Entwicklung neuer Militärtechnologien haben Kampfdrohen die Kriegsführung schneller verändert, als Gesetze und Moral sich mit dem Wandel auseinandersetzen konnten“, sagt Sonia Kennebeck anlässlich ihres Dokumentarfilms National Bird. In ihm kommen ehemalige Analysten der Air Force, die sich entschieden haben, ihr Schweigen über den geheimen Drohnenkrieg der USA zu brechen, zu Wort. Ihre Mitschuld an der Tötung Unbeteiligter auf weit entfernten Schauplätzen lässt sie nicht zur Ruhe kommen.
Anschließend Gespräch mit Sonia Kennebeck, Wim Wenders, Andreas Schüller (ECCHR) und Gästen.