20.1.2006
Einar Schleef. Kontaktbögen
Ausstellung vom 5. Februar bis 2. April 2006
Akademie der Künste, Pariser Platz 4, Berlin-Mitte, Ausstellungshallen
Pressevorbesichtigung: Freitag, 3. Februar, 11.00 Uhr
Anmeldung für Pressevorbesichtigung: presse@adk.de oder Tel. (030) 200 57-15 14
Eröffnung: Sonntag, 5. Februar, 11.30 Uhr
Es sprechen: Rainald Goetz, Schriftsteller und Janos Frecot, freier Fotopublizist und Ausstellungsmacher
„Einar Schleef. Kontaktbögen“ ist der Titel einer Foto-Ausstellung in der Akademie der Künste am Pariser Platz, für die Einar Schleef (1944 – 2001) im Herbst 1999 noch selbst das Konzept vorgelegt hat. Seine ursprüngliche Intention, sie in den Ausstellungshallen der Akademie am Hanseatenweg 10 zu realisieren, wurde zugunsten einer Rückkehr Einar Schleefs in den entstehenden Neubau am Pariser Platz aufgegeben. Die Rückkehr impliziert zweierlei: Einar Schleef war zum einen bei Karl von Appen Meisterschüler und mit den baulichen Überresten der ehemals Preußischen Akademie der Künste bestens vertraut. Unter der Präsidentschaft von Heiner Müller fand zum anderen 1992 am selben Ort in der damaligen Ostberliner Akademie der Künste der Teil „Waffenstillstand“ seiner Ausstellung „Republikflucht Waffenstillstand Heimkehr“ statt.
Mit diesem Konzept für eine Foto-Ausstellung wich Schleef erstmals von seinen bisherigen Ausstellungs-konzepten ab: Neu ist die ausschließliche Konzentration auf fotografische Arbeiten bei gleichzeitigem Verzicht auf seine Malerei, Texte und Bühnenwerke. Nach seinem plötzlichen Tod 2001 erzwingt dieses Konzept einmal mehr den Blick auf das Biografische – auf Einar Schleef selbst und auf deutsch-deutsche Geschichte. Ursprünglich gedacht als Bestandsaufnahme in der Lebensmitte wird nun ein fotografisches (Lebens-)Werk parallel zu den im Suhrkamp-Verlag erscheinenden Tagebüchern und dem monumentalen Roman „Gertrud“ vorgelegt. Die Fotos – das Archiv zählt über 8000 Abzüge und über 600 Kontaktbögen – geben Zeugnis von dem, was Einar Schleef im Alltag suchte, untersuchte, beobachtete, selektierte und experimentell zusammensetzte. Die Kontaktbögen „lesen“ sich wie ein Ergänzungsband zu den Tagebüchern. Es ist kein Zufall, daß Einar Schleef die Foto-Ausstellung parallel zur Herausgabe seiner Tagebücher skizzierte. Beim Betrachten mancher Bögen drängen sich seine Sprache und deren Rhythmus in seiner ihm eigenen Maßlosigkeit auf und erinnern an Villem Flusser: „Die Texte erklären zwar die Bilder, um sie wegzuerklären, aber die Bilder illustrieren auch die Texte, um sie vorstellbar zu machen.“ Schleefs Fotos haben nicht selten den Charakter von Standfotos aus Dokumentarfilmen, sie sind ungeschminkt, rau und niemals arrangiert – fast beiläufig.
Einar Schleef, bisher immer selbst Gestalter der Räume seiner Ausstellungen, hat eine erste Skizze mit thematischen Orientierungen hinterlassen. Die von ihm vorgeschlagenen Titelvarianten verweisen deutlich auf den biografischen Aspekt: „Kontaktbögen“, Tagebuch-Kontakt“ oder „Foto Biografie in Bildern“. Beginnend mit den Fotos zu Die Nachbarn 1965 breitet er ein Spektrum ihm bedeutender Lebensstationen und Themen aus wie Sangerhausen, Berlin, Frankfurt am Main, USA und Spanien, Dänemark und Tod. So unzählig die Fotos, so unzählig sind die Blick- und Gesichtspunkte wie auch die interpretatorischen Möglichkeiten. Die Ausstellung vermittelt, über Biografisches hinaus, Aspekte des alltäglichen Lebens und der alltäglichen Kultur und erzählt „nebenher“ deutsch-deutsche Geschichte. Daß Einar Schleef die Ausstellung nicht selbst in die Hand nehmen und gestalten konnte, ist ein großer Verlust. Glück ist die Hinterlassenschaft seines Konzepts, dem die Ausstellung bis auf kleine Ausnahmen konsequent folgt. Dort, wo es sich anbietet, wird gezeigt, wie Einar Schleef mit seinem (Foto-)Material gearbeitet hat, zum Beispiel bei Die Nachbarn (Leporellos) sowie Frankfurt/U-Bahn (Serie aus der Ausstellung von 1992).
In einem Exkurs zur Ausstellung vermittelt der international renommierte Fotograf Arno Fischer mit Entdeckungen im fotografischen Werk seines einstigen Schülers Einar Schleef seinen eigenen Blick auf dessen Fotos.
Das Einar-Schleef-Archiv
Bald nach Einar Schleefs Tod am 21. Juli 2001 übernahm die Akademie der Künste sein gesamtes Œuvre aus Literatur, Theater, Fotografie und Film, von den Tagebüchern, Manuskripten, Entwürfen, Zeichnungen bis zu den Dokumenten und Materialien zu Leben und Werk.
Noch aus der Studienzeit sind Skizzen, Zeichnungen und ausgearbeitete Bühnenbild-Entwürfe erhalten, z. T. auch zu Stücken, die nicht aufgeführt bzw. inszeniert wurden. Zu seinem späteren Theaterwerk, als er als Regisseur arbeitete, sind neben Skizzen und Entwürfen zu Bühne und Ablauf des Stückes auch Plakat-entwürfe überliefert sowie eine große Anzahl von Textfassungen, die die akribische Arbeit an den Texten, oft in Zusammenarbeit mit seinem Lektor Hans-Ulrich Müller-Schwefe, belegen. Unverzichtbar sind auch Videos von Proben und Aufführungen sowie die umfangreiche und zum Teil äußerst aufgeregte Presseresonanz. Sein Theaterwerk umfaßt etwa 12 Regalmeter sowie 3 Grafikschränke mit Überformaten.
Als Schriftsteller wurde Einar Schleef vor allem durch seine Gertrud-Romane und sein Großessay Faust Droge Parsifal bekannt. Eine Besonderheit stellt der Werkkomplex Gertrud nicht nur insofern dar, als hier die umfangreiche Korrespondenz mit seiner Mutter zum „Material“ wurde, sondern auch, weil er bildende und literarische Kunstschöpfung vereint: Zu Gertrud gestaltete Einar Schleef 1987 die vielbeachtete Ausstellung Gertud – Familienleben in der Provinz, die literarische Produktion gleichberechtigt neben die Gegenstände seiner Kindheit stellte. Posthum werden – ein dritter herausragender literarischer Komplex – die von ihm selbst bearbeiteten Tagebücher herausgegeben. Außerdem gibt es Vorstufen von Texten, die Einar Schleef zum Teil zu eigenen Erzählungen ausgearbeitet hat. Insgesamt handelt sich um etwa 13 Regalmeter, nicht einberechnet die ca. 9 Regalmeter allein für den Gertrud-Komplex. Die umfangreiche Korrespondenz sowie geschäftliche Unterlagen zeigen, wie akribisch Einar Schleef sein Archiv führte, selbst wenn es nicht zu Material für sein künstlerisches Schaffen diente.
Ein Aspekt seines Werkes, den die Ausstellung der Akademie der Künste erstmals vorstellt und den es in seiner Gültigkeit noch zu entdecken gilt, ist das fotografische Werk. Der Fotobestand, der in Abzügen, Kontaktbögen und meist auch im Negativ überliefert ist, füllt etwa 10 Regalmeter.
Auch als Filmemacher – er besuchte nach seinem Weggang aus der DDR die Berliner Filmhochschule – kann Einar Schleef im Archiv noch entdeckt werden. Ca. 120 Filmrollen sind überliefert.
Quantitativ handelt es sich um ca. 50 Regalmeter (ca. 450 Archivkästen) Schriftgut und ca. 4400 zeichnerische Arbeiten für das Theater, die zukünftig der Forschung und Öffentlichkeit zur Verfügung stehen werden. Ihre umfassende archivarische Erschließung wird derzeit noch von der Deutschen Forschungs-gemeinschaft gefördert.
Zur Ausstellung erscheint ein Foto-Begleitbuch bei Theater der Zeit:
Einar Schleef, Kontaktbögen, Fotografie 1965-2001
herausgegeben von Harald Müller und Wolfgang Behrens
260 Seiten, durchgängig illustriert, davon 48 Seiten farbig,
Broschur, Format 240 x 300 mm. Preis € 28,-
ISBN 3-934344-58-5.
Öffnungszeiten der Ausstellung
dienstags bis sonntags 11.00-20.00 Uhr
Eintritt € 4,-/ermäßigt € 3,-