8.10.2008
Akademie erwirbt Gino-Hahnemann-Archiv – Archiveröffnung in Weimar
Die Akademie der Künste übernimmt den künstlerischen Nachlass von Gino Hahnemann.
Mit der Ausstellung „Im Fluchtrausch“ in der Galerie Peregrini wird das Archiv am 17. Oktober in Weimar eröffnet.
Der „Schrift- & Bildsteller“ Gino Hahnemann, 1946 unter dem Namen Karl-Heinz Tanzyna in Jena geboren, studierte 1965 zunächst Architektur an der Hochschule in Weimar, arbeitete danach einige Jahre im Beruf, bevor er ab 1984 in Berlin als Autor, Aktionskünstler, Filmemacher und Maler in Erscheinung trat. Er publizierte in illegalen Zeitschriften wie „SCHADEN“, „ariadnefabrik“, „Mose 2,25“, „KONTEXT“, „U.S.W.“ und „KOMA-KINO“. Das erste eigenständige Künstlerbuch „NACHTBUS“ erschien 1985, es folgten „gino textra“ (1987), „out & ABout“ (1989). Mit Aufträgen als Bühnen- und Kostümbildner an verschiedenen Theatern und als Model – 1973 hatte er die „staatliche Zulassung für freiberuflich tätige Mannequins“ erworben – sicherte er den Lebensunterhalt. Während er in der DDR seine multimediale Arbeit ausschließlich in kleinen, in ihrer Wirksamkeit begrenzten, Kreisen vorstellen konnte, waren seine Filme – illegal über die Grenze geschmuggelt – ab 1985 auf internationalen Filmfestivals in Westberlin, Den Haag und New York zu sehen. Seine Beiträge erregten durch Authentizität und eine ungewöhnliche visuelle Sprache Aufsehen. Nach 1990 agierte der Künstler genreüberschreitend in verschiedenen Projekten, darunter Dia-Multivisionen mit Texten und Fotos, Einzel- und Gruppenausstellungen und Performances, in die er oftmals Künstlerfreunde einbezog. Im Literaturforum des Brecht-Hauses in Berlin installierte er ab 1993 die Reihe LITERARISCHER BILDERSALON. Zahlreiche Stipendien erleichterten ihm das Reisen quer durch Europa. Seine neuen Erfahrungen artikulierte Gino Hahnemann in den Publikationen „Allegorie gegen die vorschnelle Mehrheit“ (1991), „Exogene Zerrinnerung“ (1994), „Das Verschwinden gekrümmter Flächen in einer Ebene“ und „Sizilien schweigt“ (1997), die er teilweise selbst illustrierte. 2006 ist er in Berlin gestorben.
Der Nachlass dokumentiert in außergewöhnlicher Weise die kreative, subversive Literatur- und Kunstszene, die sich in der DDR der 1980er Jahre jenseits staatlich reglementierter Kunst- und Verlagsstrukturen entfaltete. Er umfasst Manuskripte zu Gedicht- und Prosatexten, mit denen Hahnemann in den inoffiziellen, handgefertigten Zeitschriften und bibliophilen Lyrik-Grafik-Editionen präsent war. Eine Besonderheit stellen die bisher unveröffentlichten Reflexionen in Text und Bild auf über tausend Seiten mit dem Titel „Die Schleifspur des Geschwindigkeitsmessers im Fluchtrausch. Restrospektive Vergewisserungen“ dar, an denen er bis zuletzt arbeitete. Der Bestand enthält aber auch das vollständig überlieferte Fotowerk und die Filme des Künstlers, der mit über zwanzig Super-8-Kameraarbeiten zu den produktivsten Akteuren der Untergrund-Filmer zählte. Hinzu kommen Materialien, welche die von ihm initiierten und realisierten Projekte und Aktionen dokumentieren, sowie Korrespondenz.
Am Freitag, den 17. Oktober, eröffnet die Akademie das Archiv mit der Ausstellung „Im Fluchtrausch“ im Rahmen der Weimarer Gino-Hahnemann-Werktage.
Veranstalter der Ausstellung sind die Akademie der Künste und POESIE SCHMECKT GUT e.V. Jena. >> Galerie Peregrini, Weimar, Obere Schloßgasse 2, Beginn 17 Uhr, Eintritt frei.
Ausstellung vom 17. - 31. Oktober, geöffnet dienstags bis sonntags 11-17 Uhr