31.1.2025, 12 Uhr

Statement der Akademie der Künste zum Tabubruch der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Am 29. Januar 2025, zwei Tage nach dem Holocaust-Gedenktag, stimmte die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unter Kanzlerkandidat Friedrich Merz erstmals mit der rechtsextremen AfD. Dieser Vorgang entspringt keinem Sachzwang, sondern reinem Wahlkampfkalkül. Die Union durchbricht damit eine zentrale Linie demokratischer Hygiene: die klare Abgrenzung von extremistischen Parteien.

Dieses politische Tabu hat die Funktion, Grenzen des Akzeptablen zu markieren und das demokratische Fundament zu schützen. Wer wie die CDU die Kooperation mit Rechtsextremen als legitimes Mittel betrachtet, begeht einen Tabubruch, der zur schleichenden Erosion demokratischer Normen und zur Normalisierung rechtsextremen Denkens führt. Drei Jahre nach Merz’ Übernahme des CDU-Parteivorsitzes hat sich die AfD in Umfragen verdoppelt – ein Zeichen dafür, dass seine Strategie der Rechtsverschiebung letztlich nur die AfD stärkt.

Politische Tabus sind nicht bloß formale Übereinkünfte, sondern Ausdruck historischer Verantwortung. Deutschland hat aus seiner Geschichte gelernt, dass Demokratien nicht allein durch äußere Angriffe bedroht werden, sondern vor allem durch innere Aushöhlung. Das Zusammengehen der CDU mit der AfD markiert eine Zeitenwende. Eine Partei, die sich als Bewahrerin konservativer Werte sieht, darf sich nicht aus Opportunismus ihrer demokratischen Verpflichtung entziehen.

Künstler*innen wissen um die Wirksamkeit von Tabubrüchen: Sie werden in der Kunst gezielt eingesetzt, um gesellschaftliche Debatten zu verschieben. Immer wieder haben künstlerische Bewegungen damit Konventionen herausgefordert. Während künstlerische Grenzüberschreitungen Prozesse gesellschaftlicher Selbstverständigung anstoßen, führt der Tabubruch in der Politik jedoch zur Aushöhlung des demokratischen Grundkonsenses. In der Kunst kann ein Tabubruch Erkenntnis stiften – in der Politik öffnet er autoritären Kräften den Weg.

Das taktische Manöver der CDU ist ein Angriff auf die Demokratie. Wer mit Feinden der Demokratie paktiert, stellt sich gegen die Werte des Grundgesetzes. Wenn schon im Wahlkampf Prinzipien über Bord geworfen werden, was geschieht erst im Regierungsamt? Die politische Glaubwürdigkeit der Partei steht auf dem Spiel.

Die Akademie der Künste fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf, das sogenannte „Zustrombegrenzungsgesetz“ heute nicht zur Abstimmung zu stellen, sondern den Dialog mit den anderen demokratischen Parteien zu suchen.

Manos Tsangaris
Präsident der Akademie der Künste

Anh-Linh Ngo
Vizepräsident der Akademie der Künste