25.10.2017, 17 Uhr
Entdeckung nach fünfzig Jahren – Das Archiv von Manfred Karge ist erschlossen
Unerwartete Funde im Archiv sind Glücksmomente der Archivarbeit. Eine überraschende Entdeckung wurde nun im Archiv des Schauspielers, Theaterregisseurs, Bühnenautors und Übersetzers Manfred Karge gemacht. In der letzten Kiste der unerschlossenen Materialien fand sich zwischen verschiedenen Ausgaben von Theater heute versteckt, eine 50 Jahre alte Mappe mit Zeichnungen des Bühnenbildners Karl von Appen zu Brechts Der Brotladen, inszeniert von Manfred Karge und Matthias Langhoff 1967 im Berliner Ensemble. Zwölf Tuschezeichnungen und die Bemerkung „Fragment. In die Lösung viel investiert, dass viele Fragen diskutiert werden, die in anderen Stücken nicht vorkamen“. Appens enge Zusammenarbeit mit Brecht begann schon 1953, Arrangementzeichnungen waren ein neues Mittel, das Stück malerisch und graphisch zu erzählen und der Regie Anhaltspunkte und Vorlagen zu geben, was eine enge Zusammenarbeit zwischen Regie, Dramaturgie und Ausstattung bedingte.
Ein Puzzleteilchen, das neben Textbearbeitungen, Regienotaten, Ablaufplänen, Bewegungsskizzen, Proben- und Abendberichten, Korrespondenzen und Szenenfotos einen anschaulichen Eindruck der Inszenierung gibt. Das Werk steht exemplarisch für viele andere Inszenierungen Karges, zunächst mit Matthias Langhoff in Berlin, Hamburg, Genf und Bochum und später in Wien, ab 1993 wieder am Berliner Ensemble.
Umfangreiche Korrespondenzen mit Helene Weigel ab 1963, die das erfolgreiche Regieduo Karge – Langhoff in ihren Briefen auch gern einmal die „Kar-Hoffs“ nannte, geben Auskunft über Entstehung, Verlauf und manchmal auch Nichtrealisierung der Inszenierungsarbeiten. Überliefert sind auch Briefe an Hans-Joachim Hoffmann, Minister für Kultur in der DDR, aus den späten 1970er Jahren, in denen Karge und Langhoff den Arbeitsaufenthalt im „kapitalistischen Ausland“ ohne Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR forderten. Die „sanktionierte Blockierung der Brecht-Rechte einerseits und der unterbundene Umgang mit Heiner Müllers neuen Stücken andererseits“ veranlassten die Regisseure zur Kündigung an der Volksbühne 1978. Karge und Langhoff hatten gerade ein Angebot einer zweijährigen Schauspieldirektion am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg von Ivan Nagel erhalten. Stücke von Heiner Müller inszenierten Karge und Langhoff mit großem Erfolg in den darauffolgenden Jahren in Hamburg, Genf und Bochum.
In 6 laufenden Metern Archivmaterial ist ein reiches und spannendes Arbeitsleben zusammengetragen, das noch lange nicht beendet ist. Das Archiv wird also auch in Zukunft noch Erweiterung erfahren.
In der Datenbank des Archivs der Akademie der Künste ist das Manfred-Karge-Archiv nun online recherchierbar.
Ansprechpartnerin: Andrea Clos